Herzschlag der Nacht
auf und blickte zu ihr herab. »Warum haben Sie das getan?«
»Weil er es wahrlich wert war, gerettet zu werden. Das war für jeden offensichtlich.«
Die seltsame Spannung zwischen ihnen wurde unerträglich. Christophers Herz schlug zu schnell und unregelmäßig. Wie hübsch sie in dem weißen Kleid aussah. Sie strahlte eine gesunde Weiblichkeit aus, die so gar nichts mit der modischen Zerbrechlichkeit der Londoner Damen gemein hatte. Er fragte sich, wie es wäre, mit ihr im Bett zu sein. Ob sie in ihrer Leidenschaft ebenso direkt war wie in allem anderen?
»Bleiben Sie zum Essen«, bat sie ihn.
Er schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen.«
»Haben Sie schon gegessen?«
»Nein, aber ich finde gewiss noch etwas in der Speisekammer zu Hause.«
Albert setzte sich auf die Hinterpfoten und beobachtete ihn.
»Nach solch einer Reise brauchen Sie ein anständiges Mahl.«
»Miss Hathaway …« Leider versagte sein Atem, als Beatrix mit beiden Händen seinen Arm ergriff – eine an seinem Handgelenk, die andere an seinem Ellbogen. Und dann zog sie sanft. Er spürte es bis in seine Lenden. Wieder einmal reagierte sein Körper zu heftig auf ihre Berührung. Verärgert und erregt blickte er in ihre blauen Augen.
»Ich möchte mit niemandem reden«, sagte er.
»Natürlich nicht. Das macht auch nichts.« Noch ein zartes, wiewohl beharrliches Ziehen. »Kommen Sie.«
Und ohne es zu wollen, ging Christopher mit ihr durch die Eingangshalle und einen Flur entlang, an dem zu beiden Seiten Gemälde hingen. Albert tapste lautlos hinter ihnen her.
Beatrix ließ Christophers Arm los, als sie das Esszimmer betraten, das von unzähligen Kerzen erhellt war. Der Tisch war üppig mit Silber, Kristall und sehr viel Essen gedeckt. Christopher erkannte Leo, Lord Ramsay, und dessen Frau sowie Rohan und Amelia. Der dunkelhaarige Junge Rye saß gleichfalls am Tisch.
Christopher blieb an der Türschwelle stehen, verneigte sich und sagte verlegen: »Vergeben Sie mir. Ich wollte nur …«
»Ich habe Captain Phelan gebeten, sich zu uns zu setzen«, fiel Beatrix ihm ins Wort. »Er möchte nicht reden, also stellt ihm bitte keine Frage, sofern es nicht unbedingt sein muss.«
Der Rest der Familie nahm diese Ankündigung auf, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Ein Diener wurde geschickt, ein weiteres Gedeck zu holen.
»Kommen Sie herein, Phelan«, sagte Leo unbekümmert. »Wir lieben schweigsame Gäste, denn sie gestatten uns, umso mehr zu reden. Setzen Sie sich, setzen Sie sich, und sagen Sie nichts.«
»Sollte es Ihnen jedoch irgend möglich sein«, ergänzte Catherine lächelnd, »geben Sie sich bitte beeindruckt von unserem Witz und unserer Klugheit.«
»Ich werde mich nach Kräften bemühen, etwas zur Unterhaltung beizutragen«, versprach Christopher. »Vorausgesetzt, mir fällt etwas Erwähnenswertes ein.«
»Derlei Hemmnisse sind uns fremd«, bemerkte Cam.
Christopher setzte sich auf den freien Stuhl neben Rye. Kaum hatte er Platz genommen, wurden ihm ein großzügig gefüllter Teller und ein Glas Wein hingestellt. Erst als er zu essen anfing, bemerkte er, wie ausgehungert er war. Während er die exzellenten Speisen genoss – gebratene Seezunge, Kartoffeln, geräucherte Austern in knusprigem Bacon –, unterhielt sich die Familie über Politik, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Anwesen und die jüngsten Ereignisse in Stony Cross.
Rye benahm sich wie ein kleiner Erwachsener. Er lauschte dem Gespräch aufmerksam und stellte hie und da Fragen. Vor allem aber wurde ihm sofort geantwortet. Christopher fand es höchst unüblich, dass ein Kind mit an der Tafel saß. In den meisten vornehmen Familien war es Sitte, dass die Kinder allein im Kinderzimmer aßen.
»Isst du immer mit der Familie?«, fragte er den Jungen sehr leise.
»Meistens schon«, flüsterte Rye. »Sie haben nichts dagegen, solange man nicht mit vollem Mund redet oder mit den Kartoffeln spielt.«
»Ich werde versuchen, es nicht zu tun«, beteuerte Christopher ihm ernst.
»Und man darf Albert nicht füttern, nicht mal wenn er bettelt. Tante Beatrix sagt, nur richtiges Futter ist gut für ihn.«
Christopher sah zu seinem Hund, der ausgestreckt in einer Zimmerecke lag.
»Captain Phelan«, sprach ihn Amelia an, die bemerkte, wohin er sah, »was halten Sie von Alberts Veränderung?«
»Sie ist nahezu unbegreiflich«, antwortete Christopher. »Ich war nicht sicher, ob es möglich wäre, ihn nach dem Leben auf dem Schlachtfeld an dieses friedliche Dasein zu
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