Herzschlag der Nacht
sich stöhnen. »Bitte …«
Seine Finger legten sich sanft auf ihre Lippen und strichen darüber, um sie zum Schweigen zu bringen.
Sie lagen sich auf dem Bett gegenüber, sahen einander an und rangen beide nach Atem.
»Bei Gott, ich will Sie.« Christopher klang alles andere als erfreut darüber. Sein Daumen streichelte ihre vom Kuss geschwollenen Lippen.
»Obwohl ich Sie verärgere?«
»Sie verärgern mich nicht.« Sorgfältig knöpfte er ihr Hemd wieder zu. »Ich dachte es anfangs. Aber jetzt ist es eher wie das Gefühl, das man hat, wenn einem der Fuß eingeschlafen war und man beginnt, ihn zu bewegen. Das Blut zirkuliert wieder, was unangenehm ist … und auch gut. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ja, ich bewirke bei Ihnen, dass Ihr Fuß kribbelt.«
Er lächelte. »Unter anderem.«
So blieben sie eine Weile liegen, sahen sich schweigend an.
Er hat ein äußerst bemerkenswertes Gesicht, dachte Beatrix. Stark, makellos … und dennoch bewahrten es die zarten Lachfältchen in seinen Augen- und Mundwinkeln vor kalter Perfektion. Die leichte Wettergerbung hatte überdies den Effekt, ihn … erfahren aussehen zu lassen. Es war ein Gesicht, bei dem Frauenherzen höher schlugen.
Zaghaft berührte Beatrix die Bajonettnarbe an seiner Schulter. Die Haut war wie Satin, der noch heiß vom Bügeln war, wenn auch nicht vollständig eben. »Wie schmerzhaft es gewesen sein muss«, flüsterte sie. »Bereiten Ihnen Ihre Wunden noch Schmerzen?«
Christopher verneinte stumm.
»Was … quält Sie dann?«
Er schwieg, eine Hand auf ihrer Hüfte ruhend. Während er nachdachte, glitt sie unter den losen Saum von Beatrix’ Hemd und streichelte sanft ihre Taille.
»Ich kann nicht wieder der sein, der ich vor dem Krieg war«, gab er schließlich zu. »Und ich kann nicht sein, wer ich während des Krieges war. Wenn ich aber keiner dieser Männer sein kann, weiß ich nicht, was mir noch bleibt, außer dem Wissen, dass ich mehr Männer getötet habe, als ich zählen kann.« Sein Blick wurde distanziert. Es war deutlich zu erkennen, dass er in einen Albtraum schaute. »Die Offiziere immer zuerst, auf dass Chaos ausbrach, und dann der Rest, der die Orientierung verlor. Sie fielen wie Spielzeuge, die von einem Kind umgestoßen werden.«
»So lauteten Ihre Befehle. Die anderen waren der Feind.«
»Was schert mich das? Sie waren Männer, die von jemandem geliebt wurden. Ich werde es mir niemals vergeben können. Sie wissen nicht, wie es aussieht, wenn ein Mann erschossen wird, haben nie Verwundete auf dem Schlachtfeld gehört, wie sie um Wasser flehen oder darum, dass man beenden möge, was der Feind begonnen hatte …«
Er drehte sich weg, setzte sich auf die Bettkante und senkte den Kopf. »Ich habe Wutausbrüche«, kam es gedämpft. »Gestern erst versuchte ich, einen meiner eigenen Diener anzugreifen, haben sie Ihnen das erzählt? Gott, ich bin nicht besser als Albert! Nie wieder darf ich das Bett mit einer Frau teilen, denn ich könnte sie im Schlaf töten und nicht einmal begreifen, was ich tue, ehe es zu spät ist.«
Beatrix setzte sich ebenfalls auf. »Das würden Sie nicht tun.«
»Woher wollen Sie das wissen? Sie sind so unschuldig.« Christopher verstummte und holte zittrig Luft. »Nein, ich kann das nicht hinter mir lassen, und ich kann auch nicht damit leben.«
»Womit?«, fragte sie leise, denn sie begriff, dass etwas Bestimmtes ihn peinigte, eine unerträgliche Erinnerung.
Christopher beachtete sie gar nicht. In Gedanken war er weit weg und blickte in dunkle Schatten. Als sie näher zu ihm rücken wollte, hob er einen Arm wie zum Schutz, die Handfläche nach außen gekehrt. Diese Geste eines Gebrochenen, vollführt von solch starker Hand, traf Beatrix mitten ins Herz.
Sie empfand den überwältigenden Wunsch, ihn an sich zu ziehen, als müsste sie ihn vor einem Abgrund retten. Doch sie behielt die Hände in ihrem Schoß und betrachtete die Stelle, an der sein Haar auf dem gebräunten Nacken auflag. Seine Rückenmuskeln waren angespannt. Könnte sie nur mit der Hand über die harte Oberfläche streichen, ihn irgendwie beruhigen. Aber er musste allein den Weg aus diesem Albtraum finden.
»Ein Freund von mir starb in Inkerman«, sagte Christopher nach einer Weile stockend. »Einer meiner Leutnants. Sein Name war Mark Bennett, der beste Soldat im Regiment. Er war stets ehrlich, scherzte in den unpassendsten Momenten. Bat man ihn, etwas zu tun, ganz gleich wie schwierig oder gefährlich, erledigte er es. Er hätte
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