Herzschlag der Nacht
für jeden von uns sein Leben riskiert.
Die Russen hatten ihre Geschützposten in Höhlen und alten Steinkaten seitlich am Hügel aufgebaut und feuerten direkt in unsere Belagerungsstellungen. Der General entschied, dass die russischen Posten eingenommen werden sollten. Drei Rifle-Kompanien wurden ausgewählt.
Eine Husarenkompanie erhielt Order, gegen den Feind zu reiten, falls er uns über die Flanke angriff. Der Anführer war ein Mann, den ich hasste, Oberstleutnant Fenwick. Jeder hasste ihn. Er kommandierte das Kavallerieregiment, in dem ich anfing, als ich mein erstes Patent kaufte.«
Christopher verstummte, verloren in seiner Erinnerung. Seine halb gesenkten Wimpern warfen gezackte Schatten auf seine Wangen.
»Warum wurde er von allen gehasst?«, hakte Beatrix nach.
»Fenwick war oft grundlos grausam. Er hatte eine Vorliebe für Bestrafungen, befahl Auspeitschungen und Entbehrungen für die geringfügigsten Vergehen. Und als er Vorwände erfand, um die Männer zu disziplinieren, intervenierte ich. Er warf mir Insubordination vor, und beinahe wäre ich angeklagt worden.« Christopher atmete langsam aus. »Fenwick war der Hauptgrund, aus dem ich zustimmte, zur Rifle- Brigade zu gehen. Und dann fand ich in Inkerman heraus, dass ich mich auf seine Kavallerie-Unterstützung verlassen sollte.
Bevor wir die Stellungen erreichten, suchten wir in einer Schlucht Schutz vor verirrten Kugeln. Die Nacht brach herein. Wir teilten uns in drei Gruppen, eröffneten das Feuer. Die Russen erwiderten, und wir entschieden, welche Stellungen wir einnehmen mussten. Wir rückten mit Gewehren vor … schossen so viele nieder, wie wir konnten, und gingen dann zum Kampf Mann gegen Mann über. Im Kampf wurde ich von Bennett getrennt … und dann regneten Granaten und Kartätschen auf uns herab. Es hörte nicht auf. Männer um mich herum fielen … überall klaffende Wunden, aus denen Gedärm quoll. Meine Arme und mein Rücken brannten vor Granatsplittern. Ich konnte Bennett nicht finden. Es war dunkel, und wir mussten zurückfallen.
Ich hatte Albert in der Schlucht gelassen. Nun rief ich ihn, und er kam. Er rannte wider jeden natürlichen Instinkt durch das Höllenfeuer, kam mit mir hinaus, um in der Dunkelheit nach Verwundeten zu suchen. Er führte mich zu zwei Männern unten am Hügel. Und einer von ihnen war Bennett.«
Beatrix schloss die Augen, weil ihr übel wurde, als sie ihre Schlüsse zog. »Und der andere war Oberst Fenwick.«
Christopher nickte ernst. »Fenwick war aus dem Sattel gestürzt und sein Pferd fort. Sein eines Bein war gebrochen, und er hatte eine Kugelwunde seitlich. Es bestand eine gute Chance, dass er überleben würde. Aber Bennett … seine Brust war aufgerissen. Er war kaum noch bei sich, lag bereits im Sterben. Ich wollte, ich wäre es gewesen, hätte es sein müssen. Ich war der Waghalsige, Bennett der Vernünftige, denn er wollte zu seiner Familie zurück, zu der Frau, die er liebte. Ich weiß nicht, warum es mich nicht traf. Das ist das Schreckliche am Krieg – alles ist Zufall. Man weiß nie, ob man der Nächste ist. Man kann versuchen, sich zu verstecken, und eine Granate findet einen dennoch. Man kann geradewegs auf den Feind zulaufen, und eine Kugel steckt im Lauf fest, sodass man verschont bleibt. Alles ist reines Glück.« Er biss die Zähne zusammen, weil ihn ein Zittern überkam. »Ich wollte sie beide in Sicherheit bringen, aber es war keine Hilfe da. Und ich konnte Fenwick nicht zurücklassen. Falls er gefangen genommen wurde, könnte ihm der Feind entscheidende Informationen entlocken. Er wusste von sämtlichen Nachrichten des Generals, kannte die Strategien, die Versorgungspläne, alles.«
Beatrix blickte zu seinem halb abgewandten Profil. »Sie mussten Oberst Fenwick als Ersten retten«, flüsterte sie. Ihr war die Brust eng vor Mitgefühl und Bedauern, als sie das Ausmaß seines Schmerzes erfasste. »Bevor Sie Ihren Freund retten konnten.«
»Ich sagte Mark: ›Ich komme wieder und hole dich, ich schwöre es. Ich lasse Albert bei dir.‹ Da war Blut in seinem Mund. Ich wusste, dass er etwas sagen wollte, doch er konnte nicht. Albert blieb neben ihm, und ich nahm Fenwick auf meine Schultern und brachte ihn in die Schlucht zurück.
Als ich wiederkam, um Bennett zu holen, brannte der Himmel. Der Rauch machte es unmöglich, weiter als wenige Meter zu sehen. Die Mündungsfeuer waren wie Blitze, und Bennett war fort. Einfach weg. Sie hatten ihn mitgenommen. Albert war verletzt. Jemand
Weitere Kostenlose Bücher