Herzschlag der Nacht
gewissen, nein, himmelschreienden Ironie, dass sie sich vor Christopher an dem einen Ort versteckte, den sie am liebsten mit ihm teilen würde. Und natürlich konnte sie sich nicht ewig vor ihm verstecken. Es würde eine Abrechnung geben.
Doch nachdem sie sein Gesicht gesehen hatte, als er begriff, dass sie diejenige war, die ihn getäuscht hatte, wollte Beatrix selbige Abrechnung lieber so lange wie möglich hinauszögern.
Sie ritt im Galopp zum geheimen Haus auf Lord Westcliffs Anwesen, band das Pferd davor an und stieg hinauf ins Turmzimmer. Mit zwei alten Stühlen, einem alten Sofa mit niedriger Lehne und einem gebrechlichen Tisch sowie einem Bettrahmen, der an einer Wand lehnte, war das Zimmer sehr kärglich möbliert, aber Beatrix hielt es sauber und hatte die Wände längst mit ungerahmten Skizzen von Landschaften und Tieren geschmückt.
Ein Teller mit heruntergebrannten Kerzenresten stand in einem Fenster.
Nachdem sie das Fenster aufgerissen hatte, um frische Luft hereinzulassen, lief Beatrix auf und ab, wobei sie aufgeregt vor sich hin murmelte.
»Er wird mich gewiss umbringen. Gut, das ist allemal besser, als dass er mich hasst. Ein kurzes Würgen, und es ist vorbei. Ich wünschte, ich könnte mich selbst erwürgen und ihm die Mühe ersparen. Vielleicht sollte ich mich aus dem Fenster stürzen. Hätte ich doch nie diese Briefe geschrieben! Wäre ich doch nur ehrlich gewesen! O nein, was ist, wenn er nach Ramsay House geht und dort auf mich wartet? Was ist …«
Sie erstarrte vor Schreck, als sie ein Geräusch von draußen hörte. Ein Bellen? Beatrix schlich ans Fenster, blickte nach unten und sah Albert, der um das Gebäude herumlief, und Christopher. Er band sein Pferd neben ihrem an.
Er hatte sie gefunden.
»Oh, mein Gott«, hauchte Beatrix. Kreidebleich drehte sie sich um und setzte sich mit dem Rücken zur Wand. Sie fühlte sich wie ein Gefangener, der seine Exekution erwartete. Dies war einer der schlimmmsten Momente ihres ganzen Lebens … und angesichts der Schwierigkeiten, mit denen die Hathaways bereits zu kämpfen gehabt hatten, wollte das einiges heißen.
Wenig später stürmte Albert ins Zimmer und kam auf sie zugesprungen.
»Hast du ihn hergeführt?«, flüsterte Beatrix ihm vorwurfsvoll zu. »Verräter!«
Beschämt trottete der Hund zum Sessel, hüpfte hinauf und legte das Kinn auf die Vorderpfoten. Seine Ohren zuckten, als gleichmäßige Schritte von der Treppe erklangen.
Christopher betrat das Zimmer. Er musste den Kopf einziehen, um durch die niedrige, mittelalterliche Tür zu gelangen. Drinnen richtete er sich wieder auf und blickte sich kurz um, bevor er Beatrix entdeckte. In seinen Augen spiegelte sich der unbändige Zorn eines Mannes, dem schon viel zu viel Furchtbares widerfahren war.
Beatrix wünschte, sie wäre eine jener zarten jungen Damen, die zu Ohnmachten neigten. Eine Ohnmacht wäre in dieser Situation ausgesprochen passend.
Leider waren ihre diesbezüglichen Bemühungen fruchtlos. Die Sinne wollten ihr partout nicht schwinden.
»Es tut mir so leid«, quietschte sie unglücklich.
Keine Antwort.
Christopher näherte sich ihr sehr langsam, als fürchtete er, dass sie abermals versuchen könnte, ihm davonzulaufen. Sowie er bei ihr war, packte er ihre Oberarme fest. Nun konnte sie nicht mehr weg. »Sagen Sie mir, warum Sie es getan haben.« Seine Stimme war tief und vibrierte vor … Hass? Wut? »Nein, verdammt, weinen Sie nicht. War es ein Spiel? Wollten Sie nur Prudence helfen?«
Beatrix schluchzte und wandte das Gesicht zur Seite. » Nein , es war kein Spiel. Pru zeigte mir Ihren Brief und sagte, sie wolle ihn nicht beantworten. Und ich musste es. Ich hatte das Gefühl, er wäre für mich geschrieben. Es sollte nur das eine Mal sein. Aber dann schrieben Sie wieder, und ich antwortete Ihnen abermals. Ich nahm mir fest vor, dass es dabei bleiben sollte … und dann noch einmal und …«
»Was von dem Geschriebenen war die Wahrheit?«
»Alles«, antwortete Beatrix prompt. »Bis auf Prus Name unter den Briefen. Sonst war alles wahr. Bitte, auch wenn Sie mir nichts anderes glauben wollen, glauben Sie mir das eine.«
Christopher schwieg eine Weile lang. Er atmete schwer. »Warum haben Sie aufgehört?«
Sie spürte, wie schwer ihm diese Frage fiel. Aber, Gott stehe ihr bei, es war noch weit schwieriger, sie zu beantworten.
»Weil es zu sehr schmerzte. Die Worte bedeuteten zu viel.« Sie zwang sich, trotz ihrer Tränen weiterzureden. »Ich verliebte mich in Sie,
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