Herzstoss
Vergangenheit eingeholt worden ist.«
»Ihrer Vergangenheit?«
»Nun ich habe wie gesagt nur ein paarmal mit ihr gesprochen. So viel weiß ich auch nicht über sie. Aber ich habe Gerüchte gehört, wenn Sie verstehen.«
»Nein, ehrlich gesagt nicht. Erzählen Sie.«
»Bloß, dass sie in London irgendwelchen Ärger hatte und nach Irland geflohen ist. Irgendwas in der Richtung. Nichts Konkretes. Und wie gesagt bloß Gerüchte. Aber als Sie dann aufgetaucht sind und Fragen über sie gestellt haben, dachte ich, Sie wären von Scotland Yard oder Interpol.«
»Und jetzt?«
»Jetzt weiß ich, dass Sie die Wahrheit sagen.« Lächelnd ergriff er ihre Hand. »So eine Geschichte denkt sich niemand aus.«
Marcy lächelte. »Da ist mein Mann anderer Meinung. Er hält mich für verrückt.«
»Ihr zukünftiger Exmann«, verbesserte Liam sie, »und ich denke, er muss verrückt sein, wenn er eine Frau wie Sie gehen lässt.«
Marcy zog langsam ihre Hand zurück und legte sie in den Schoß. »Sie sollten vorsichtig sein, wenn Sie so was sagen. Man könnte Sie missverstehen.«
Liams grüne Augen blitzten verspielt. »Inwiefern?«
»Manche Frauen könnten denken, dass Sie etwas von ihnen wollen.«
»Und was denken Sie?«
»Ich denke, dass Sie einfach nur nett sind.«
Er lachte. »Den Vorwurf höre ich zum ersten Mal.«
»Wollen Sie etwas von mir?«, fragte Marcy, konsterniert, dass sie die Frage tatsächlich laut gestellt hatte.
»Ich weiß nicht. Ich hab mich noch nicht entschieden.«
Marcy schüttelte lächelnd den Kopf »Wie alt sind Sie, Liam?«
»An meinem nächsten Geburtstag werde ich vierunddreißig.«
»Ich bin fünfzig.«
»Fünfzig ist nicht alt.«
»Aber auch nicht vierunddreißig.«
»Das ist auch bloß eine Zahl. Und ich habe an den Mädchen in meinem Alter wie gesagt nie viel finden können. Ich habe meine Unschuld mit zwölf an eine Sechzehnjährige verloren. Seither habe ich ein Faible für ältere Frauen.«
Marcy rieb sich den schwirrenden Kopf. Sie musste sich die gesamte Unterhaltung einbilden. Vielleicht hatte sie doch eine Gehirnerschütterung.
»Was denken Sie?«, fragte Liam.
»Ich denke, dass ich fünfundzwanzig Jahre lang nur Sex mit einem einzigen Mann hatte. Meinem Mann«, erklärte Marcy ihm freimütig, weil sie dachte, dass alles andere als Ehrlichkeit auch keinen Sinn hatte. »Und in den letzten Jahren hatten wir eigentlich fast gar keinen Sex mehr. Zumindest ich hatte fast gar keinen Sex mehr. Wie sich herausstellte, hatte er reichlich Sex. Aber das ist im Grunde auch egal. Entscheidend ist, dass in all den Jahren kein Mann auch nur das geringste Interesse an mir gezeigt hat, und jetzt bin ich fünfzig, habe Wallungen und meine Frisur ist eine Katastrophe …«
»Ihr Haar ist hinreißend.«
»Und kaum bin ich in Irland«, ignorierte Marcy seinen Einwurf, »komme ich mir vor wie eine Femme fatale. Ich kann mich vor Männern gar nicht retten. Ich weiß nicht, vielleicht tun sie hier irgendwas ins Bier oder ich sende Botschaften nicht ganz so stiller Verzweiflung aus …«
»Oder vielleicht sind Sie auch nur eine sehr schöne Frau.«
»Sie könnten jede Frau haben, die Sie haben wollen«, erklärte Marcy ihm, bemüht, sein Kompliment zu ignorieren.
»Was, wenn Sie die Frau sind, die ich will?«
Marcy schüttelte den Kopf. »Sie wollen mich nicht.«
»Nicht?«
»Ich tue Ihnen bloß leid.«
»Warum sollten Sie mir leidtun?«, fragte er. »Sie sind eine wunderschöne Frau mit hinreißenden Locken, die Ihre tot geglaubte Tochter wiedergefunden hat. Ich würde sagen, das ist ein Grund zum Feiern und kein Anlass für Mitleid.«
»Noch habe ich sie nicht gefunden.«
»Aber Sie werden sie finden.«
»Dann ist mir vielleicht zum Feiern zumute.«
»Nun denn«, sagte Liam, und in seinen grünen Augen blitzten unausgesprochene Möglichkeiten auf. »Dann muss ich wohl einfach warten und Ihnen helfen, sie zu finden.«
KAPITEL ELF
Am nächsten Morgen ging Marcy wieder zum Haus in der Adelaide Road.
Sie war um acht Uhr dort, nachdem sie das riesige Frühstück verschlungen hatte, das Sadie Doyle täglich bereitete. Es bestand aus Bacon, zwei Spiegeleiern, einer Schale Müsli mit Rosinen und braunem Zucker und zwei Scheiben dunklem Toast mit selbst gemachter Orangenmarmelade und Erdbeergelee. Judith wäre rechtschaffen entsetzt, dachte Marcy beim Essen. Ihre Schwester hätte eine kleine Schale frisches Obst und mindestens drei Tassen schwarzen Kaffee bestellt. Marcy hatte gar nichts
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