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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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sanft und griff nach ihrer Hand. »Devon ist nicht weggelaufen, weil Sie sie angeschrien haben, nachdem sie als Zweijährige die Wände in Ihrem Haus bemalt hatte.«
    »Sie war noch so klein. Ich war erwachsen. Ich hätte sie nicht anschreien müssen …«
    »Nein, hätten Sie nicht. Aber Sie haben es getan. Na und? Das ist zwanzig Jahre her. Devon kann sich wahrscheinlich gar nicht mehr daran erinnern.«
    »Es gab andere Anlässe.«
    »Was? Sie haben sie angeschrien? Sie waren nicht immer perfekt? Sie sind ein Mensch wie wir alle, Herrgott noch mal. Und Menschen machen Fehler. Wir brüllen, wenn wir es nicht tun sollten, und wahrscheinlich bleiben wir stumm , wenn wir brüllen sollten . Ich bin sicher, Sie haben es zu anderen Gelegenheiten mehr als wiedergutgemacht.«
    Aber Marcy wollte sich von seinen Worten nicht trösten lassen. »Als Devon ungefähr acht war, habe ich beschlossen, dass es gut wäre, wenn sie Klavierstunden nähme. Wir hatten einen kleinen Flügel, den Peter von seiner Mutter geerbt hatte und der nur in der Ecke herumstand und Staub sammelte. Manchmal setzte Devon sich an die Tasten und klimperte herum, deshalb dachte ich, es wäre eine gute Idee, wenn sie richtig spielen lernte. Sie war ein Naturtalent. Aber mir fiel auch auf, dass sie ein hoffnungsloser Fall war, wenn ihr Lehrer nicht buchstäblich neben ihr saß. Ich trieb sie zum Üben an, und sie saß da und klimperte nur rum. Ich war so frustriert …«
    »Marcy«, unterbrach Liam sie. »Warum machen Sie das?«
    »Genau das habe ich zu Devon gesagt. Warum machst du das? Du kannst doch Noten lesen. Sie sind direkt vor deiner Nase. Spiel einfach nach den Noten. Aber es stellte sich heraus, dass sie gar keine Noten lesen konnte. Ihr Lehrer hatte ihr die Grundlagen nie beigebracht, sodass sie eine Note nicht von der anderen unterscheiden konnte, sondern einfach nur nachgeahmt hatte, was er ihr vorgespielt hatte. Und am nächsten Tag konnte sie sich natürlich nicht mehr daran erinnern, deswegen hat sie bloß rumgeklimpert …«
    »Als ich fünf war, hat meine Mutter mich erwischt, als ich in der Küche, einen Pie gegessen habe, den sie für eine Gesellschaft am Abend gebacken hatte. Sie ist mit einem Schlachterbeil auf mich losgegangen«, sagte Liam.
    »Was?«
    »Also, sie besteht darauf, dass es ein Holzlöffel war, aber ich bin mir sicher, es war ein Schlachterbeil. Und einmal hat sie mich verprügelt, weil ich Salz in den Zuckerstreuer getan und ihr damit ihren morgendlichen Kaffee versaut hatte. Und ein anderes Mal hat sie mich angebrüllt – und ich kann Ihnen sagen, niemand konnte brüllen wie meine Mutter –, nur weil ich ihr erklärt hatte, dass ich meinen kleinen Bruder unter einen Bus schubsen wollte. Nicht, weil ich es getan hatte, wohlgemerkt, sondern nur weil ich es gesagt hatte. Wie finden Sie das als lahme Ausrede für einen Menschen. Ich kann Ihnen sagen, ich bin für mein Leben gezeichnet.«
    »Sie versuchen das, was ich getan habe, kleinzureden«, sagte Marcy.
    »Und Sie blasen es übermäßig auf. Himmel noch mal, Marcy, wie schaffen Sie es, mit all der Schuld, die auf Ihren Schultern lastet, morgens überhaupt aufzustehen?«
    Es war nicht leicht, dachte Marcy. »Ich habe zu viel von ihr erwartet.«
    »Na und? Sonst noch was? Dann haben Sie eben zu viel erwartet. Was ist mit Ihrem Sohn? Erwarten Sie von ihm auch zu viel?«
    Die Erwähnung ihres Sohnes erwischte Marcy wie immer unvorbereitet. Devon hatte eine Art, all ihre Gedanken in Beschlag zu nehmen und ihren Bruder zu verdrängen. »Darren ist anders.« Marcy sah sein engelhaftes Gesicht als Kleinkind vor sich, dann seine linkischen Züge während der Pubertät, bevor er zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen war. »Als kleiner Junge war er immer fröhlich. Er hat mir nie irgendwelche Probleme gemacht.« Sie hatte ihn schrecklich vernachlässigt, erkannte sie. »Devon hat meine ganze Kraft in Anspruch genommen.« Sie runzelte die Stirn. »Was sagt man noch über das Rädchen, das nicht quietscht?«
    »Keine Ahnung. Aber ich weiß , was geschehen ist, ist geschehen. Die Vergangenheit ist vorüber, und wir können nicht das Geringste daran ändern. Warum also soll man sich wegen etwas fertigmachen, das man nicht ändern kann? Es sei denn, es geht genau darum .«
    »Was soll das heißen?«
    »Nun ja, vielleicht wälzen Sie sich ja gern in all den Schuldgefühlen, weil Sie die Vergangenheit nicht hinter sich lassen wollen. Vielleicht steckt das ja

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