Herzstoss
ich habe ihr die Ohrringe gegeben. Judith hatte ihr diese Ohrringe zu ihrem fünfzigsten Geburtstag geschenkt. Ja, sie haben ihr gefallen. Genau wie du gesagt hast. Wie wer gesagt hatte? Scheiße, ich komm mir schon vor wie James Bond oder so. Vielleicht sollten wir das Ganze ›Operation Babycakes‹ nennen. Was hatten sie vor? Und wer war noch beteiligt? Sie fährt für ein paar Tage weg … mit der ganzen beschissenen Familie. Was hatte das zu bedeuten? War Devon irgendwie in die Sache verwickelt? Und in welche Sache eigentlich genau?
Gütiger Gott? Auf was hatte ihre Tochter sich jetzt wieder eingelassen?
»Ja, ich weiß, es sind nur drei Tage, aber ich kann das Geld schon riechen …«
In diesem Moment fing Marcys Handy in ihrer Handtasche an zu klingeln. Scheiße, dachte sie und versuchte hektisch, das Geräusch zu dämpfen, indem sie ihre Handtasche unter ihren Pullover schob und mit beiden Armen fest an ihren Körper drückte. Hatte Jax es gehört?
»Warte mal ’ne Sekunde«, sagte er, und die Absätze seiner Stiefel klackerten über die Pflastersteine. »Ich dachte, ich hätte was gehört.«
Marcy drückte sich in den Eingang eines Ladens und wurde von dem Geruch nach Erbrochenem schier überwältigt. Tessa, du blöde Kuh, dachte sie und erinnerte sich an das Gelächter von Tessas Freunden. Ihr Telefon klingelte weiter, zum Glück jedoch deutlich leiser. Konnte Jax es immer noch hören? Würde er sie finden? Und wenn ja, was würde er mit ihr machen?
Plötzlich schallte die wütende Stimme von Mick Jagger über die Straße – »get off of my cloud« –, ein Husten war zu hören und dann eine Mädchenstimme, die alles andere übertönte. »Jax, bist du da draußen?«
»Ich komme, Schätzchen«, sagte er sofort.
Marcy hörte seine schweren Schritte auf der Treppe.
»Ich hab mir Sorgen gemacht. Ist alles in Ordnung?«, fragte Shannon, als sich die Tür hinter ihnen schloss.
Sofort zerrte Marcy ihre Handtasche unter ihrem Pullover hervor und zog ihr Handy heraus. Aber es hatte aufgehört zu klingeln. Sie steckte es wieder in die Handtasche und dachte, dass es wahrscheinlich Liam gewesen war, der sich noch mal vergewissern wollte, dass es ihr gut ging. Sollte sie ihn vielleicht besser zurückrufen? Und was genau wollte sie ihm sagen? Dass sie doch nicht im Hotel geblieben war und sich etwas zu essen aufs Zimmer bestellt hatte, wie er es so weise vorgeschlagen hatte, sondern stattdessen von einer Katastrophe in die nächste geschlittert war? Dass sie wegen ihrer laienhaften Detektivspielchen um ein Haar vergewaltigt worden wäre und fast eine weitere Nacht auf der Polizeiwache verbracht hätte? Dass sie in einem berüchtigten Club Jax begegnet war und eventuell einen schändlichen Plan aufgedeckt hatte, in den ihre Tochter verwickelt war oder auch nicht?
Ihren Kopf gegen auffrischenden Regen abschirmend machte sie sich auf den langen Weg zurück zu ihrem Hotel.
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
Sie träumte von Kuchen. Einer doppelstöckigen Vanilletorte mit einer dicken Vanilleglasur und jeder Menge klebriger roter Blumen. Die Art Torte, die Devon sich immer zu ihrem Geburtstag gewünscht hatte. »Sie ist eben eine Naschkatze«, erklärte Marcy der kleinen Gästeschar, die um den langen Esszimmertisch saß.
»Etwas Süßes für die Süße«, sagte Shannon, wurde so rot wie die Rosen auf der Torte und rückte ihr Partyhütchen zurecht.
»Süß mit viel Zucker und ein bisschen Zimt«, fügte Judith hinzu. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, ihre muskulösen Arme mit Tätowierungen bedeckt.
»So wie die kleinen Mädchen halt sind«, sagte Jax, der mit einem schreienden Baby im Arm ins Zimmer kam.
»Oh, lass mich mal sehen«, flötete Devon und lief ihm entgegen.
»Nimm du sie.« Jax legte das Baby in Devons ausgestreckte Arme. »Sie wiegt eine Tonne.«
»Sie ist so süß.«
»Wenn man Babys mag«, erwiderte Jax abschätzig.
Im nächsten Moment schlenderten Marcy und Liam durch die Kopfsteinpflastersträßchen von Youghal. »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
»Hast du es noch nicht gehört? Claire und Audrey haben eine Bäckerei eröffnet. Sie machen den besten Kuchen in ganz Irland.«
»Was ist ihr Geheimnis?«, fragte Marcy.
»Preiselbabys«, sagte Liam.
Irgendwo in der Ferne fing ein Baby an zu schreien.
»Kann bitte irgendjemand was gegen diesen ständigen Lärm unternehmen?«, fragte Vic Sorvino, der offensichtlich in Eile an ihnen vorbeihastete.
»Vic?«, rief Marcy ihm nach. »Warte. Wohin
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