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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
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Familie liegt«, hatte Peter erklärt und damit die Meinung des Psychiaters wiederholt, bei dem sie auf sein Drängen in Behandlung war.
    »Du meinst, bloß weil meine Mutter sich umgebracht hat, heißt das, unsere Tochter hätte es auch getan?«
    »Sie ist Mitte Oktober bis in die Mitte der verdammten Bucht gepaddelt. Sie trug keine Schwimmweste. Sie war depressiv …«
    »Sie war so glücklich wie seit Langem nicht mehr. Du hast selbst bemerkt, dass sie ruhiger gewirkt hat, friedlicher …«
    »Studien haben ergeben, dass Menschen, nachdem sie beschlossen haben, Selbstmord zu begehen, in den Tagen vor der Tat häufig glücklicher sind«, hatte er insistiert.
    »Bist du schon immer so ein aufgeblasenes Arschloch gewesen?«, hatte Marcy ätzend erwidert.
    Warum hatte sie Peter den Brief nicht gezeigt?
    Sie redete sich ein, dass er an sie allein adressiert gewesen war. »MOMMY«, hatte Devon auf den Umschlag geschrieben. Doch Marcy hatte auch immer gewusst, dass diese Rechtfertigung eine Lüge war. Peter war ihr Mann. Er hatte ein Recht darauf zu lesen, was Devon geschrieben hatte. Devons Brief war der letzte Nagel für den Sarg, zu dem ihre Ehe geworden war.
    »Es ist meine Schuld, dass er mit einer blöden Golflehrerin durchgebrannt ist«, sagte sie und blieb ob der plötzlichen Erkenntnis wie angewurzelt stehen.
    Sei nicht albern , hörte sie die Stimme ihrer Schwester, die aus der nackten Schaufensterpuppe in einem Ladenfenster zu ihr zu sprechen schien. Niemand hat ihn gezwungen, eine Affäre zu haben .
    »Ich habe ihn ausgeschlossen.«
    Na und. Hör auf, Entschuldigungen für ihn zu suchen. Du hattest ganz recht – er ist ein aufgeblasenes Arschloch .
    »Aber das macht meine Schuld nicht kleiner.«
    O bitte. Nicht alles ist deine Schuld. Verzeihung, aber ich glaube, die Verrückte ist mir lieber als die Märtyrerin .
    »Verzeihung«, sagte die Stimme noch einmal.
    »Was?« Marcy drehte sich um und sah ein komplett schwarz gekleidetes Teenager-Pärchen. Der Hals des Jungen war mit Tätowierungen bedeckt, die sich bis zu seiner steilen Irokesenfrisur ausdehnten, diverse Piercings verunstalteten das wachsartige Gesicht des Mädchens, beide kauten auf einem Kaugummi, als würde ihr Leben davon abhängen.
    »Gehen Sie jetzt rein oder was?«, fragte das Mädchen und trat von einem Fuß auf den anderen. Marcy bemerkte, dass ihre Fischnetzstrümpfe an beiden Knien Löcher hatten.
    »Was?«
    »Sie versperren die Treppe«, sagte der Junge.
    »Oh, Entschuldigung.« Marcy machte Platz. Erst jetzt sah sie das verbeulte Schild mit der schwarzen Schrift MULCAHY’S und den schwarzen nach unten weisenden Pfeil.
    Die Kellertür wurde geöffnet, um das Pärchen hereinzulassen, und ein Schwall lauter Rap-Musik dröhnte hinaus und ließ Marcy zurückweichen, als wäre sie gestoßen worden. Zigarettenqualm quoll aus dem Raum wie aus einem Kamin, durchsetzt mit dem unverkennbaren Aroma von Marihuana, das in Marcys Nase kitzelte. Wie oft war Devon abends mit demselben widerlich süßen Geruch an ihrer Kleidung nach Hause gekommen?
    Marcy fragte sich, ob ihre Tochter in diesem Moment dort unten in dem düsteren verrauchten Keller an selbst gedrehten Zigaretten zog, die Hüften zu dem mörderischen Hiphop-Beat kreisen ließ und, die Stimme zu einem unmelodischen Gesang erhoben, aggressive Zeilen gegen die feuchten gleichgültigen Wände brüllte? Lag sie in den Armen eines neuen Liebhabers, drängte sich, den Blick immer fest auf die Tür gerichtet, an ihn und wartete.
    Hallo, Mommy. Warum hast du so lange gebraucht ?
    Es war genau die Art Lokal, von der Devon sich angezogen fühlen würde, dachte Marcy, als die Tür erneut aufging und ausgelassenes Gelärme auf einer erstickenden, duftenden Wolke nach oben stieg. Worauf wartete sie noch, fragte Marcy sich, ging die Stufen hinab und wäre beinahe mit einer blauhaarigen jungen Frau zusammengeprallt, die nach oben stolperte und aus dunkel geschminkten Augen verzweifelt einen Platz suchte, wo sie sich übergeben konnte.
    Die schwere Stahltür öffnete sich wieder, als Marcy sie gerade aufziehen wollte, und entließ zwei schlaksige Rabauken, deren langes Haar schweißnass an ihren Köpfen klebte. »Tessa, du blöde Kuh«, rief einer von ihnen, »du kotzt doch nicht etwa schon wieder?«
    »Verzeihung«, sagte Marcy, begleitet von Tessas heftigem Würgen, und drückte sich hastig an den Jungen vorbei in den dunklen pulsierenden Raum.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Marcys Augen sich an

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