Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
gespendet hat. Dann überlegte Mads, was »fantastisch« wohl zu bedeuten habe, und es ging wieder von vorn los, bis wir so viele Szenarien ersonnen hatten, dass Casanova im Vergleich zu Richard so züchtig wie die Jungfrau Maria erscheint. Und ich hatte das Gefühl, dass ich es nicht bringen konnte, mich ins Bett zu verziehen und unter der Decke zu verstecken, weil Mads sich immer stundenlang mein Gelaber über James angehört hatte. Ich fand, deshalb müsse ich ihr nun bei der Analyse von Richards Verhalten behilflich sein.
Gott, denke ich, als ich knirschend den Gang des Minibusses einlege, was für eine emotionale Verschwendung das war. James liegt meilenweit hinter mir. Ich würde gerne eine Zeitreise machen und der Person, die ich vor ein paar Monaten gewesen bin, einen kräftigen Arschtritt versetzen. Heute würde ich alles anders anfangen, so viel steht fest.
Ich schaue wieder auf die Uhr. Inzwischen bin ich schon spät dran. Vielleicht sollte ich zur letzten Gabelung zurückfahren und den anderen Abzweig nehmen. Das Problem ist nur, dass ich nicht mehr weiß, wo ich hergekommen bin.
Ich massiere meine schmerzenden Schläfen. Der Tag entwickelt sich nicht zum Besseren.
Als Tante Jewell aus dem Pub ins Pfarrhaus getorkelt kam, hatte Richard sich indessen wieder eingefunden und lieferte sich mit Mads in der Diele eine Riesenschreierei.
»Lasst euch nicht stören, ihr Süßen«, hickste Jewell, als sie an ihnen vorbeistolperte. »Ist gesund, alles rauszulassen.«
Richard verstummte abrupt, als Jewell den Aufstieg antrat und dabei schwankte, als sei sie noch immer auf der Dancing Girl .
»Wer ist das?«, fragte er, bleich vor Wut.
»Katys Tante Jewell«, schrie Mads. »Und wer, verfluchte Scheiße, ist Isabelle?«
Richard zuckte zusammen. »Du weißt, dass ich diese Ausdrucksweise nicht billige.«
»Und ich billige es nicht, wenn du mit anderen Frauen vögelst«, kreischte seine Gattin, und so ging es weiter bis in die frühen Morgenstunden. Jewell, die in der Sekunde einpennte, als ihr Kopf das Kissen berührte, machte das nichts aus. Aber ich wälzte mich herum bis zum Morgengrauen, weil sich der Schlaf wegen Richards und Maddys Gebrüll und Jewells Schnarchen wohlweislich von mir fernhielt.
Heute früh jedenfalls fuhr Jewell mit Guy auf dem Boot raus – die beiden scheinen eine bizarre Freundschaft zu entwickeln –, und ich beschloss, mich nach alternativen Tätigkeiten umzusehen und Gabriel zu sagen, er könne sich sein Angebot sonst wohin stecken. Im Morgengrauen stürmte Richard aus dem Haus und schmiss die Tür so heftig hinter sich zu, dass das Pfarrhaus beinahe den Abhang runtergerutscht wäre. Und Maddy trank aus der Wodkaflasche, während sie Cornflakes frühstückte.
Die Lage ist vertrackt.
Mag ja sein, dass ich mich jetzt in den entlegensten Winkeln von Cornwall verirrt habe, aber ich bin jedenfalls froh, nicht mehr in Tregowan zu weilen. Wenn mir das nächste Mal der Sinn nach einem friedlichen Dasein steht, suche ich mir gleich was Ruhigeres, eine sechsspurige Autobahn beispielsweise.
Ich lasse die Kupplung kommen, und der Minibus schießt nach hinten. Schnell versuche ich auf die Bremse zu treten, aber meine kurzen Beine baumeln in der Luft, weil das Kissen, das ich mir in den Rücken geschoben hatte, verrutscht ist. Es ist einige Jahre her, dass ich zuletzt auf den Minibus der Schule losgelassen wurde – was daran liegen mag, dass ich bei meiner letzten Tour damit vier Mülltonnen und einen Container plattgemacht habe –, aber es heißt doch, dass man Autofahren nie verlernt.
Was freilich voraussetzt, dass man es einmal richtig beherrscht hat.
Jedenfalls rast der Bus rückwärts und bleibt mit durchdrehenden Rädern in einer Hecke stecken, worauf ich entnervt die Stirn ans Lenkrad schlage. Meine Eltern müssen vergessen haben, die böse Fee zur Taufe einzuladen oder so was, denn eine solche Pechsträhne spottet jeder Beschreibung. Dann fällt mir wieder ein, dass meine Altvorderen Heiden sind und keinen Wert legen auf Taufen. Nun gut, dann ist eben meine Aura beschädigt oder irgendwas. Der Minibus ist jedenfalls unter Garantie demoliert, und Richard wird ausrasten.
Ich höre ein Klopfen, und mir bleibt fast das Herz stehen, als ein Kopf durchs Fenster guckt. »Ist Ihnen was passiert?«
»Ich glaube nicht«, antworte ich. »Aber ich habe mich total verfahren. Ich wollte eigentlich zum Reitstall.«
Der junge Mann grinst mich an. Er hat einen dunklen Lockenkopf und an einem
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