Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
mich nicht falsch: Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Religion oder Kirche. Und Mads liebt Richard abgöttisch, deshalb habe ich damit auch kein Problem. Es ist nur so, dass ich sie mir nie als Pfarrersfrau vorgestellt hätte. Richard ist zehn Jahre älter als wir und seinem Beruf sehr verbunden, weshalb Mads das auch sein muss. Sie muss Mittagessen kochen, Sonntagsschule unterrichten und nett zu den ganzen absonderlichen Schäfchen der Gemeinde sein, die zu jeder Tages- und Nachtzeit an die Tür des Pfarrhauses klopfen. Richard feiert keine Partys, trinkt keinen Alkohol, raucht nicht, flucht nicht und hat die unerfreuliche Angewohnheit, mich zu fragen, wie ich zu Gott stehe – eine Frage, die recht schwer zu beantworten ist für ein Mädel, das nicht mal weiß, wie sie zum Direktor ihrer Bank steht. Obwohl Mads sich nie dazu geäußert hat, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Reverend Richard Lomax mich nicht sehr schätzt. Weshalb ich befürchte, dass er wohl eher für James Partei ergreifen wird, wenn ich mit zig Müllsäcken, meinem Haushummer und meinen Moritaten von der verhunzten Essenseinladung bei ihnen aufkreuze. Maddy hat sich segensreicherweise kein bisschen verändert (wobei ich nur hoffen kann, dass sie nicht mehr reihenweise mit irgendwelchen Kerlen herumvögelt) und ist immer noch hinreißend, witzig und vollkommen schusselig. Vielleicht konnte sie mit Richards Hilfe einen Teil ihrer Getriebenheit ablegen, und er ist durch sie im Gegenzug ein bisschen lockerer geworden? Jedenfalls scheint ihre Beziehung für beide gut zu sein.
Das Pfarrhaus in Lewisham kommt also für mich nur als Notlösung infrage. Dort tummeln sich zum einen so viele geplagte Seelen, dass eine sechsspurige Autobahn dagegen wie ein Ort der Stille wirkt, und zum anderen lege ich keinen Wert darauf, meine Vergehen mit Richard zu erörtern. Er denkt ohnehin schon, dass ich James nicht die Wahrheit sage. »Aufrichtigkeit in Beziehungen ist dir nicht so wichtig, Katy, oder?«, hatte Richard einmal geäußert, als ich panisch versuchte, James’ Audi repariert zu kriegen, damit James a) nicht merkte, dass ich ihn mir ausgeborgt und b) demoliert hatte. Und als ich dann antwortete, ich würde nicht lügen, sondern James lediglich nicht die ganze Wahrheit sagen, zog Richard missbilligend eine Augenbraue hoch.
Hmm. Irgendwas sagt mir, dass ich in Flammen aufgehen werde, wenn ich heute über die Schwelle des Pfarrhauses trete.
Ich werde es noch einmal bei James probieren. Er kann doch nicht im Ernst all die gemeinsamen Jahre wegen einer verpfuschten Einladung vergessen wollen. Ich weiß, dass er mich aufrichtig liebt. Warum sonst wäre er so lange mit mir zusammengeblieben?
Kühner als Captain Kirk marschiere ich zur Haustür und klingle bei uns Sturm.
»Was?«, knurrt James, drei Etagen weiter oben, durch die Sprechanlage.
»Lass mich rein«, flehe ich. »Es tut mir wirklich leid. Ich kann alles erklären.«
»Es gibt nichts zu erklären«, verkündet er in einem Tonfall, der so eisig ist, dass meine Lippen fast am Lautsprecher festfrieren. »Julius Millward hat sich unmissverständlich ausgedrückt. Entweder du oder meine Stellung bei der Bank.«
Was?
WAS?
Ich traue meinen Ohren nicht. »Du hast diesen lüsternen alten Dreckskerl der Frau, die du liebst, vorgezogen?«
»Tut mir leid, Pummel«, erwidert mein (Ex-)Verlobter. »Aber mir blieb keine Wahl, oder? Ich kann es mir nicht leisten, meinen Job zu verlieren.«
»Aber du kannst es dir leisten, mich zu verlieren?«
Das folgende Schweigen spricht Bände, und mir schießen Tränen in die Augen. Er hat sich wirklich entschieden.
»Also gut«, sage ich mit erstickter Stimme. »Ich verstehe.« Doch das stimmt nicht. Wie kann er mich zuerst lieben und dann rauswerfen? Nicht mal der Wind schlägt so schnell um. Jake würde Millandra niemals so achtlos abservieren. Er würde Julius sagen, er solle sich den Job in den Arsch stecken. Oder ihn zum Duell herausfordern.
»Ach, und übrigens«, fügt James hinzu, »könntest du den Ring in den Briefschlitz stecken? Da du meine Beförderung verhunzt hast, muss ich einige unserer Rechnungen mit anderen Mitteln begleichen.«
Ich blicke auf meinen Verlobungsfinger, an dem dieser Riesenklunker mit einem Haufen glitzernder Diamanten steckt und förmlich »Los, raub mich!« schreit, wenn ich den Ealing Broadway entlangschlendere. Ich kann nicht behaupten, dass er mir jemals wirklich gefallen hätte, aber James bestand
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