Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
lächerlich aussieht, nach und nach kleiner wird, während er immer noch unverständliche Worte in die kühle Morgenluft schreit.
Ich sinke zurück und schließe die Augen. Meine linke Schläfe schmerzt, und ich bin den Tränen schon wieder lächerlich nahe. Mein Verlobter hasst mich, und mein Freund hält mich für eine Totalniete.
Man ist wohl ziemlich einsam, wenn man die Moral gepachtet hat.
6
U nd den nimmst du auch mit!«
Peng! Ein schwarzer Müllsack landet zu meinen Füßen und leistet den anderen zwölf Säcken Gesellschaft, die ich bereits im Treppenhaus entdeckt habe. James hat einen sehr arbeitsreichen und kathartischen Abend, denn er ist damit beschäftigt, meine sämtlichen Besitztümer aus der Wohnung zu feuern.
»Es tut mir leid!«, schreie ich zum Küchenfenster hoch, an dem James ab und an vorbeifegt, auf der Suche nach weiteren Dingen, die mir gehören. »Lass mich doch bitte rein, damit wir über alles reden können.«
»Was gibt’s da noch zu reden?« James taucht am Fenster auf und starrt bitterböse zu mir hinunter. »Julius hat die Stelle Ed gegeben. Ich kann froh sein, wenn ich überhaupt noch einen Job habe nach deiner tollen Vorstellung gestern Abend. Nee, Katy, wir haben nichts mehr zu bereden. Dank dir steck ich jetzt noch übler in der Scheiße.«
Wusch! Der nächste Sack saust an meinem Ohr vorbei und landet mit grässlichem Krachen auf dem Boden. Ich springe hastig zurück. Offenbar ist James doch noch echt sauer auf mich.
»Aber das wollte ich nicht!«, jammere ich. »Ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Es war alles ein Versehen!«
»Versehen?« James gibt ein entsetzliches, gnadenloses Lachen von sich. »Das ist ja ganz was Neues. Der Hund von deinem idiotischen Freund zerfetzt meinen Bericht, ein Hummer spaziert durch die Wohnung, du lädst irgendeinen Schwulen ein, baggerst Julius an und kotzt den Seegrasteppichboden voll …«
Wusste ich doch, dass das vermaledeite Seegras noch zur Sprache kommen würde.
»… du nennst Helena eine Flasche …«
»Das hab ich nicht! Ich wollte ihr nur sagen, dass Zwicki in ihrer Tasche ist.«
»Sei nicht so haarspalterisch!«, kreischt James. »Du bist Lehrerin in einer miesen Prol-Schule, hast du das vergessen? Keine Anwältin. Ich habe genau gehört, was du gesagt hast. Und dann noch das da!«
Er verschwindet, und kurz darauf kommt ein weiterer Gegenstand auf mich zugesegelt. Ich gehe schnellstens in Deckung, was ein Segen ist, weil James der Kaktus mir ansonsten die Augen ausgestochen hätte. Nachdem ich dem Schicksal, gespickt zu werden, entgangen bin, denke ich dankbar daran, dass Ollie und Frankie so umsichtig waren, Zwicki zu retten. Die Vorstellung, mit dem Arnold Schwarzenegger der Hummerwelt beworfen zu werden, finde ich gar nicht verlockend.
»Der hat mich um ein Haar getroffen!«, schreie ich.
»Schade, dass er danebenging«, höhnt James und schleudert meine Plateaustiefel zum Fenster raus. »Vielleicht kann ich diesmal besser zielen.«
Alle Neune, denke ich, als ich mich rasch hinter unsere grüne Mülltonne ducke; er meint das wirklich ernst. Solange James mich als Zielscheibe benutzt, werde ich nicht dazu kommen, ihm schönzutun und ihn um Vergebung anzuflehen. Auch mein zweiter raffinierter Plan, ihm nämlich einmal Blasen anzubieten, scheint nicht umsetzbar zu sein – die Lage ist also wirklich vertrackt. Während ich im Rinnstein kauere und meine weltliche Habe auf mich niederprasselt, kommt mir der Gedanke, dass ich offenbar ziemlich tief in der Patsche sitze.
Womöglich hatte Ollie doch recht. Vielleicht war der Plan wirklich nicht so gelungen.
Mir waren schon Zweifel gekommen, als der Bus die Uxbridge Road entlangtuckerte und Ollie zurückblieb. In Hanwell fing ich an, Fingernägel zu kauen, in West Ealing sehnte ich mich nach einer Kippe, und als der Bus an der Station Allington Crescent hielt, war ich am Zittern. Bereits traumatisiert von Ollies Weisheiten, kramte ich aus meiner Jackentasche die letzten Münzen raus, weil ich kein Geld für den Bus dabeihatte, und verlor zusehends die Überzeugung, dass James mich freudig wieder aufnehmen würde. Ich war Veteranin vieler tränenreicher Abende auf dem Sofa und voll und ganz darauf vorbereitet, dass ich angebrüllt/mit Stillschweigen gestraft/gedemütigt würde – aber von meinem eigenen Hab und Gut torpediert?
In Liebesromanen passiert so was nie. Ich weiß ganz genau, was eigentlich geschehen sollte. Ich klopfe an die Tür, vergieße ein paar
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