Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
scheinen.
Ich döse an einem Wochentag morgens im Bett und muss weder aufstehen noch irgendwo hingehen, wenn ich keine Lust darauf habe. Es ist ein komisches Gefühl, frei vom üblichen Stress (Scheiße! Habe vergessen, die Hefte der Achten zu korrigieren!) und der dräuenden Vorahnung von Unheil (Mist! Die Elfte in der letzten Stunde!) zu sein. Ich sollte wohl ein schlechtes Gewissen haben, weil ich hier faul herumgammle, während meine armen Exkollegen sich in die U-Bahn quetschen und sich danach den ganzen Tag mit bockigen Jugendlichen herumplagen müssen, die ihre Sneakers nicht gegen andere Schuhe tauschen und sich die Krawatte der Schuluniform nicht binden wollen. Aber wisst ihr was? Ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen.
Ich fühle mich frei!
Ich schiebe die Decke weg, tappe über den Holzboden zum Fenster und schiebe die Vorhänge beiseite. Buttrig gelbes Licht flutet ins Zimmer, und das tiefblaue Meer glitzert im Sonnenschein. Im Hafen wippen die Boote fröhlich auf und ab, und Möwen lassen sich träge auf den Wellen treiben.
»Kuckuck! Kuckuck!«, höre ich wieder, und da ich jetzt einigermaßen wach bin, wird mir bewusst, dass mein Handy mich damit auf das Eintreffen einer SMS aufmerksam machen möchte. Draußen kreischen tatsächlich die Möwen, und ein besonders hartnäckiges Exemplar hackt am Kai auf einem Fischkopf herum. Ich reibe mir die Augen, gähne, hole mir das Handy und kehre damit ins Bett zurück.
Maddys Party in Fowey war sogar richtig witzig. Die Fischerfrauen, Geldbündel vom letzten Fang ihrer Männer in den Taschen, betranken sich vergnügt und waren versessen darauf, so viel Geld wie möglich loszuwerden. Binnen kurzem wurden Mieder, Strapse und Lederkorsagen herumgereicht, und der Tobende Theo und seine Kumpane surrten und zappelten wie eine lebhafte Boygroup. Ich gewann beim Ratespiel unanständiger Wörter eine pimmelförmige Seife und erinnere mich verschwommen daran, irgendwelche absurd gerüschte Unterwäsche geordert zu haben. Mads sagte, sie hätte ihren bisherigen Rekord an Bestellungen gebrochen.
Das kann ich nur für sie hoffen. Je schneller sie ihren Urlaub bezahlen kann, desto schneller werde ich wieder entspannt durchatmen können. Sich vorzustellen, wie Richard mit einem Minibus voller Sexspielzeug, für das ich verantwortlich gemacht werde, durch die Gegend kurvt, ist nicht schlaffördernd. Zumindest ist es mir gelungen, letzte Nacht das nächste Kapitel von Das Herz des Banditen zu verfassen, und ich muss sagen, es ist ziemlich heiß geraten! Vielleicht hat Mads’ neuer Job eine sonderbare Wirkung auf mich, und ich schreibe am Ende scharfe Erotika. Meine Eltern wären auf jeden Fall stolz auf diesen Ausdruck sexueller Befreiung!
Ich schenke dem Handy erst mal keine Beachtung, sondern ziehe mein Notizbuch unter dem Kopfkissen hervor. Unter keinen Umständen werde ich riskieren, dass dieses Werk in die Hände des Feindes gerät. Außerdem würde ich in Richards Achtung noch weiter sinken, wenn er meine literarischen Ergüsse zu Gesicht bekäme. Und da ich mich in dieser Hinsicht bereits auf Regenwurmniveau befinde, sollte ich das wohl lieber vermeiden.
»Oh Jake«, hauchte Millandra, »ich kann dir nicht länger widerstehen. Bitte nimm mich jetzt.«
Jake stöhnte. Sie war atemberaubend, wie sie in ihrem hauchdünnen Nachthemd vor ihm stand. Unter dem Stoff zeichneten sich die Rundung ihres Busens, ihr flacher Bauch und das dunkle Dreieck über ihren Schenkeln ab. Sie schien so rein und zart, dass er beinahe fürchtete, die Wucht seiner männlichen Leidenschaft könne sie zerschmettern.
Millandra sank auf das Pfostenbett, und ihr Haar breitete sich wie ein goldener Heiligenschein um ihren Kopf aus. Jake beugte sich über sie, küsste ihren Hals und streichelte sanft ihre Brust. Das Verlangen durchströmte ihren mädchenhaften Leib. Es kam ihr vor, als würde sie schmelzen.
Leider war diese Szene nur ein Produkt meiner fiebrigen Fantasien, aber ein Mädel darf ja wohl träumen, oder? Eines Tages wird mir gewiss selbst das Gefühl zu schmelzen zuteilwerden, auch wenn vermutlich kein Mann sich jemals den Kopf darüber zerbrechen wird, ob die Wucht seiner Leidenschaft mich zerschmettern könnte. Dennoch werde ich Mads bald mal zeigen, dass Leidenschaft auch etwas anderes sein kann als die rosa Häschen, die sie an halb Cornwall verhökert.
Mein Handy lässt nicht locker und meldet sich schon wieder. Ich werfe einen Blick darauf und stelle fest, dass ich
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