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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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Versuch, »Distanz und Überblick zu ge-
    winnen«. Indien bleibt ihm, wie er noch 1925 gesteht, ein phanta-
    stisches »Heimwehland«.

    Innen und Außen
    Ein Plädoyer für die Mystik! Der Zeitgeist hat darüber den markt-
    konformen Schleier der Esoterik gelegt. Bei Hesse aber bedeutet
    es anderes. Dieses andere aber ist nicht nur rund, weich und er-
    baulich, es ist auch eckig, hart und verstörend! Hesse schrieb die
    Erzählung 1920, in einem besonderen unter den vielen Krisenjah-
    ren. 1920 trifft ihn der Absturz in die Freiheit, die Ernüchterung
    nach dem Rausch. 1919 war er nach Montagnola gekommen, süd-
    lich-sinnlich und in dem Glauben, die dunklen – privaten wie poli-
    tischen – Schatten der Vergangenheit zurückgelassen zu haben.
    Ein Jahr später: Er spürt plötzlich, es kommt niemand heraus aus
    seiner Haut, das Außen ist etwas, das vom Innen geprägt wird.
    Unsere innere Verfassung bestimmt die Wahrnehmung des Außen
    stärker, als das Außen je unsere innere Wahrnehmung zu beein-
    flussen vermöchte.
    Hesse beharrt mit »Innen und Außen« auf der Realität des
    schweigenden Zwischenraums. In ihm drücken sich unsere Bezie-
    hungen zu anderen Menschen stärker aus als im Ausgesproche-
    nen. Es geht um die Ausstrahlung eines anderen, die uns erreicht,
    auch dort, wo die Wirkung längst nicht mehr nachprüfbar, nicht
    mehr meßbar ist. Es geht um den Zauber der Atmosphäre, die in
    uns fortwirkt und uns verwandelt. Von zwei Freunden handelt »In-
    nen und Außen«, zwei verschiedenen Auffassungsweisen von der
    geistigen Existenz, die sie beide führen. Sie lieben sich als Freun-
    de, die einmal viel verband. Doch sie sind sich fremd geworden.
    Friedrich, ein Wissenschaftler, der nur glaubt, was sich eindeutig
    beweisen läßt, und Erwin, der an nichts glaubt, was eindeutig be-
    weisbar ist: »Nun standen sie sich gegenüber, und es schien
    Friedrich, als habe die kleine Kluft und Spaltung von damals sich
    inzwischen unheimlich vergrößert. Zwischen ihm und Erwin fehl-
    te, so schien ihm gefühlshaft, in diesem Augenblick irgend etwas,
    was sonst immer dagewesen war, eine Luft der Gemeinsamkeit,
    des unmittelbaren Verstehens, ja selbst der Zuneigung. Statt ihrer
    war Leere da, eine Kluft, eine Fremde.« Friedrich hat den Ver-
    dacht, daß Erwin der reinen Wissenschaft »abtrünnig« geworden
    ist. Er zeigt ihm gegenüber so ein nachsichtig-ironisches Lächeln!
    Das erbost ihn. Er zwingt Erwin zu einer Art Glaubensbekenntnis,
    von dem wir annehmen dürfen, daß es auch das Hesses ist:
    »Nichts ist außen, nichts ist innen. Der religiöse Sinn davon ist
    bekannt: Gott ist überall. Er ist im Geist, und ist auch in der Natur.
    Alles ist göttlich, weil Gott das All ist. Wir nannten das früher Pan-
    theismus. Denn der philosophische Sinn: Die Scheidung von au-
    ßen und innen ist unserem Denken gewohnt, ist ihm aber nicht
    notwendig. Es gibt die Möglichkeit für unseren Geist, sich hinter
    die Grenze zurückzuziehen, die wir ihm gezogen haben, ins Jen-
    seits. Jenseits der Gegensatzpaare, aus denen unsre Welt besteht,
    fangen neue, andere Erkenntnisse an.« Es ist der Glaube an die
    Einheit der Welt über alle Unterschiede hinaus. Aber es ist eben
    auch eine Einheit aus Unterschieden. Das hat nichts mit simpler
    Harmonie zu tun, in der wir uns gedankenlos wohl fühlen, eher
    mit jener komplizierteren Form der Harmonie, die wir aus der Mu-
    sik kennen und die einer enormen Anstrengung bedarf, weil sie
    vom Kontrapunkt lebt. Entscheidend: Jede Harmonie ist eine des
    Augenblicks, ein Glücksmoment, der seinen Preis fordert. Dauer-
    harmonien sind geistige Harmlosigkeiten im Übertritt zur Infantili-
    tät. Friedrich aber wird die Erinnerung an Erwin, den er im Streit
    verließ, zum Fluch: Er kommt davon nicht mehr los. Der Zweifel
    an den bis eben so festen Gewißheiten, dem Wissenschaftsideal
    des eindeutig Ausrechenbaren hat ihn ergriffen. Am Anfang hieß
    es bei Friedrich noch: »›Zweimal zwei ist vier‹, pflegte er zu sagen,
    ›daran glaube ich, und von dieser Wahrheit aus muß der Mensch
    sein Denken betreiben.‹« Davon ist am Ende keine Rede mehr.
    Seine innere Unruhe steigert sich zur Panik. Von welchen Kräften
    werden wir bestimmt, was ist das, was aus unserem Innern in uns
    aufsteigt und unser tägliches Denken und nächtliches Träumen
    bestimmt? Hier versagen für Friedrich mehr und mehr die klaren
    Maßstäbe, mit denen er lebt. Die scheinbar so sinnreiche Ordnung
    des Außen, sie

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