Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
Vom Netzwerk:
berühmt werden und Ehren erfahren; dein Haus wird still
    sein, und die Falten, die ich auf deiner Stirn seit manchem Jahr
    her kenne, müssen alle wieder ausgetan werden ...« Darauf nun
    hat Vogel überhaupt keine Lust; er strebt Nietzsches gefährlicher
    Existenz nach und will sich nicht einem fremden Lebensentwurf-
    beugen. Und daß die Lebensmaßstäbe sich fremd gegenüberste-
    hen, auch das spricht Hesse aus, wenn er Iris sagen läßt: »Ach
    höre mich wohl: alles was dir jetzt Spielzeug ist, ist mir das Leben
    selbst und müßte es auch dir sein, und alles, woran du Mühe und
    Sorge wendest, das ist für mich ein Spielzeug, ist für meinen Sinn
    nicht wert, daß man dafür lebe.« Mit diesem Unverständnis aber
    kann der Dichter nicht leben, davon muß er sich befreien, will er
    Dichter bleiben.

    Ironie
    Wo nicht eitler Selbstzweck, ist sie immer eine Form von Notwehr
    gegen feindliche Umwelt. Hesse ist seinem Naturell nach jedoch
    kein Ironiker. Dazu fehlt es ihm an Kühle und Distanziertheit – und
    wohl auch an artistischem Instinkt. Er will die Ironie auch keines-
    wegs (wie Thomas Mann) zum durchgängigen Stilmittel erheben.
    Denn Hesse gehört nicht zum Typus eines maskenspielenden Arti-
    sten. Er flüchtet in Ironie, allein, um sich vor der herrschenden
    Traumlosigkeit zu schützen. Mittels Ironie zieht er einen Bannkreis
    um seine seelischen Verletzlichkeiten, schützt er den Bezirk seiner
    Verehrungen, gibt dem naiven Kind im denkenden Künstler die
    Freiheit zu spielen.

    Italien
    So ähnlich wie sich Thomas Mann und Hermann Hesse auch in
    vielem sein mögen, ein Satz, wie ihn Thomas Mann Tonio Kröger
    sagen läßt, wäre Hermann Hesse nie über die Lippen geschweige
    denn aufs Papier gekommen: »Gott gehen Sie mir doch mit Italien,
    Lisaweta! Italien ist mir bis zur Verachtung gleichgültig! Das ist
    lange her, daß ich mir einbildete, dorthin zu gehören. Kunst, nicht
    wahr? Sammetblauer Himmel, heißer Wein und süße Sinnlich-
    keit... Kurzum, ich mag das nicht. Ich verzichte. Das ganze belleza
    macht mich nervös. Ich mag auch all diese fürchterlich lebhaften
    Menschen dort unten mit dem schwarzen Tierblick nicht leiden.
    Diese Romanen haben kein Gewissen in den Augen ... Nein, ich
    gehe ein bißchen nach Dänemark.«
    Oder der abwinkende Reinhold Schneider: »Italien, so sehr ich es
    lange Zeit liebte, hat mich nie erschüttert.« Für Hesse behält der
    Süden immer den Arkadienreiz. Am liebsten würde er allein in
    irgendeinem »entlegenen italienischen Nest« leben, um dem
    »ganzen Schwindel unseres modernen Lebens« zu entkommen.
    Von der Nord- auf die Südseite der Alpen durch das Loch im Berg
    – den Gotthardtunnel, auf den schon Nietzsche wartete – zu ge-
    langen, kam für ihn einer Wiedergeburt als Mensch unter südli-
    cher Sonne gleich. Eine Feier der wiedererwachten Sinne. In
    seiner Baseler Buchhändlerzeit (1899-1903) schreibt sich Hesse
    hinein in die italienische Kultur; neben dem »Hermann Lauscher«
    entstehen Versuche über Boccaccio, Franz von Assisi und Leonar-
    do da Vinci. Und er spart darauf, das Land, in dem die Renais-
    sance so prachtvoll blühte, zu bereisen. Hier beweist der junge
    Hesse Geschäftssinn. Er verfertigt von seinen Notturni-Gedichten
    20 Exemplare (die er im Bewußtsein dichterischer Sendung hand-
    signiert!) und bietet sie in einem Rundschreiben Freunden und
    Bekannten zum Preis von 20 Franken pro Exemplar an. Mit dem
    Zusatz: »Bestellungen von nicht Eingeladenen werden nicht ange-
    nommen.« Damit hat er dann schon 400 Franken in der Reisekas-
    se. Wie jeder beflissene Bildungsbürger bereitet sich Hesse
    intensiv vor, lernt im Selbststudium Italienisch, um am 25. März
    1901 von Calw aus nach Italien aufzubrechen. Im Gepäck – natür-
    lich – ein Baedeker und Jacob Burckhardts »Cicerone – Eine Anlei-
    tung zum Genuß der Kunstwerke Italiens«. Hesse ist ein
    Reisender, kein Tourist. Darum fällt das angelesene Italienbild
    schnell in sich zusammen, ein anderes, selbst erfahrenes, selbst
    gesehenes tritt an dessen Stelle. Herber und poetischer zugleich.
    In Genua notiert er: »Bahnhof Novi so schmutzig wie der Baseler
    Badische.« Doch bald nimmt ihn der südliche Zauber gefangen:
    »Man lernt hier die Kunst des faulen Herumlungerns famos.« In
    Florenz angekommen, schreibt er an seine Eltern: »Angesichts
    dieser Kultur sinkt mein Nationalgefühl auf Null.« Sein Blick wird
    böse, wenn er
    vergleicht: »Wie gemein so ein feister

Weitere Kostenlose Bücher