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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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Mann) unlebbare Zugleich von Künstler und Bürger als ge-
    scheiterten Versuch aufgeben zu müssen. Wenn er wirklich noch
    etwas zu schaffen können glaubt, dann muß er es jetzt tun. Diese
    Erkenntnis ist während der Analyse in ihm gewachsen. Und er
    muß sich von Maria Bernoulli trennen, sein Haus und seine Kinder
    verlassen. Sein Einzug ins Tessin als »abgebrannter kleiner Lite-
    rat« mit einem Koffer voller Bücher und fast ohne Geld wird zum
    entscheidenden Sieg Hesses über die bürgerliche Konvention: die
    Selbstbeglaubigung als Künstler. Natürlich konnte die Analyse nur
    ein Erfolg werden, weil es Hesse als seinen Weg nach Innen, den
    er notwendig gehen muß, verstanden hat. 1921 holt ihn die Krise
    dann auch im sonnigen Tessin ein. Diesmal unterzieht er sich bei
    C. G. Jung persönlich einer Analyse. 1925 schreibt Hesse in einem
    Brief über die Bedenklichkeiten einer Analyse für den Künstler:
    »Jeder Versuch, das Phänomen des Lebens auf eine wissenschaft-
    liche, scheinbar exakte Formel zu bringen, ist natürlich immer nur
    eine kurze Zeit von Wert, aber gelegentlich benützt man doch
    auch diese Hilfsmittel, so wie man die übrige dumme Technik un-
    serer Zeit bald spöttisch, bald zornig mitbenutzt, weil es halt nicht
    anders geht.«
    Übrigens hat der Nazi-Schriftsteller-Funktionär Will Vesper gerade
    Hesses Beschäftigung mit Freud und Jung zum Anlaß genommen,
    ihn zu diffamieren: »Hermann Hesse ist als Schriftsteller in tiefe
    Abhängigkeit von der Psychoanalyse des Wiener Juden Freud ge-
    raten.«
    Aber solche Haß-Attacken war Hesse seit dem Ersten Weltkrieg
    schon von militanten Nationalisten gewohnt. Er stellt dagegen
    seine ganze innerlich-reiche Unabhängigkeit als Autor: »Möge der
    Weltlauf gehen, wie er wolle, einen Arzt und Helfer, eine Zukunft
    und neuen Antrieb wirst du immer nur in dir selbst finden, in dei-
    ner armen, mißhandelten, geschmeidigen, nicht zu vernichtenden
    Seele. In ihr ist kein Wissen, kein Urteil, kein Programm. In ihr ist
    bloß Trieb, bloß Zukunft, bloß Gefühl ...« Alle Bücher, die Hesse
    nach der Analyse schrieb, vom »Demian« über die »Märchen«,
    »Siddhartha«, »Steppenwolf«, »Narziß und Goldmund« bis zum
    »Glasperlenspiel«; sie wären ohne die Vertrautheit mit C. G. Jungs
    platonisch-mystischer Lehre von den religiösen Symbolen und
    Urbildern so nicht vorstellbar gewesen.

    Publikum
    Ist Hesse, dem Menschenscheuen, so von Angesicht zu Angesicht,
    eher suspekt. Besser, sich kein Bild von seinem Leser machen!
    Darum meidet er Anlässe wie Lesungen, Empfänge und sonstige
    Auftritte in der literarischen Szene. Auf seiner letzten großen Le-
    sereise nach Deutschland ( ↑ Nürnberger Reise), von September bi s Dezember 1925, überkommt ihn in ganzer Wucht das Empfinden,
    mit diesem literarischen Betrieb nichts zu tun zu haben: »Das Pu-
    blikum als solches nämlich ist mir vollkommen gleichgültig. Auch
    wenn das Unangenehmste zwischen dem Publikum und mir ein-
    träte, wenn ich ganz und gar durchfiele und ausgepfiffen würde –
    es würde mich sehr wenig berühren. Einer in mir drinnen würde
    lebhaft mitpfeifen.«

    Q
    Quincey
    Junkie-Analogien zu Hesse sind hier allerdings abwegig, schließ-
    lich nennt Hesse de Quinceys »Bekenntnisse eines Opiumessers«
    ein »sehr pathologisches Buch«.

    R
    Radio
    Man kann Hesse ohne Übertreibung einen Technikfeind nennen.
    Jedoch einen keineswegs blindwütigen. So wie er im »Steppen-
    wolf« eine ↑ Autojagd veranstaltet, um dann schließlich selbst Au-tobesitzer zu werden, der sich von seiner Frau Ninon chauffieren
    läßt, so genießt er auch die Unmittelbarkeit des Weltzugangs, die
    das Radio ihm bietet. Deshalb hören wir Besucher des »magi-
    schen ↑ Theaters « ↑ Mozarts nur halb ironisches Plädoyer für die
    »verfluchte Radiomusik des Lebens«. Denn auch im »magischen
    Theater« steht ein Radioapparat, und dieser »teuflische Blechtrich-
    ter« spuckt »jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem
    Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abon-
    nenten des Radios übereingekommen sind, Musik zu nennen –
    und hinter dem trüben Geschleime und Gekrächze war wahrhaftig,
    wie hinter dicker Schmutzkruste ein altes köstliches Bild, die edle
    Struktur dieser göttlichen Musik zu erkennen, der königliche Auf-
    bau, der kühle weite Atem, der satte breite Streicherklang«. Dahin-
    ter steckt die Mozartsche Heiterkeit, das Lebenstheater nicht zu
    ernst zu nehmen, und

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