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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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künstlerischen
    Zwecken.

    Philisterland
    Soeben ist Hesse mit dem »Camenzind« der literarische Durch-
    bruch gelungen, er hat einiges Geld verdient und Maria Bernoulli
    geheiratet. Das junge Ehepaar mietet sich ein kleines Haus in dem
    Bodenseedorf Gaienhofen – und Hesse ist schon wieder unglück-
    lich. So wird die kleine Schrift »Im Philisterland« aus dem Jahre
    1904 zum Befund einer Fehlentscheidung. Ehe, Familie, eigenes
    Haus – will er fortan so leben? Dieser hier erst geahnte Bürger-
    Künstler-Konflikt wird sich in den folgenden Jahren weiter zuspit-
    zen. Bis er sich 1919 von seiner Familie trennt – um fortan allein
    im Tessin zu leben. Es ist eine unheimliche Idylle, die Hesse hier
    ausmalt, und man spürt den »Zorn über dies bequeme Hinleben«:
    »... der große Ofen muß brennen, solang ich es will, ich brauche
    die Scheiter nicht mehr zu zählen und zu sparen. Sogar ein Fäß-
    chen Wein liegt im Keller, mit einem freundlichen Hahnen im
    Spundloch und in meiner alten Blechschachtel liegt beständig
    Tabak genug. Es geht mir also gut, sehr gut; selbst meine Katze
    wird fett, sie bekommt Milch, soviel sie mag.«
    Wie soll ein Dichter leben? Mit dieser Frage wird er zeitlebens
    nicht fertig. Und immer ist da die Sehnsucht nach der Ferne und
    die Sehnsucht nach Heimat, beides gleich stark ziehend und zer-
    rend. Der Wille zum Beständigen und der Wille zum Wechsel, bei
    Hesse liegen sie im Dauerzwist miteinander: »Dann tut mir das
    Herz im Leibe weh, daß ich kein Einsamer und Wanderer mehr
    bin, und ich gäbe mein bißchen Haus und Glück und Behagen
    gern für einen alten Hut und Ranzen, um noch einmal die Welt zu
    grüßen und mein Heimweh über Wasser und Land zu tragen.«

    Piktors Verwandlungen
    Dieses Märchen schrieb Hesse 1922 für seine zweite Frau Ruth
    Wenger, die er jedoch erst 1924, nach der Scheidung von Maria
    Bernoulli, heiraten konnte. Ruth Wenger ist in allem das Gegenteil
    zu Maria Bernoulli, leicht und jung, für Hesse eine romantische
    Affäre und Muse bei Einzug ins südliche Tessiner Land. Von dieser
    heiteren Leichtigkeit zeigt sich auch »Piktors Verwandlungen«.
    Piktor verwandelt sich, indem er aus dem dunklen Vorwurf, dem
    ihm die Gegenwart Maria Bernoullis immer mehr wird, heraustritt
    und rauschhaft das Wiedererwachen seiner Sinne erlebt. Es klingt
    darum auch – für kurze Zeit – von Liebestrunkenheit euphorisiert,
    wenn Hesse über den neuen Zauber dichtet, der den alternden
    Dichter verwandelt hat: »Nun war alles gut, die Welt war in Ord-
    nung, nun erst war das Paradies gefunden. Piktor war kein alter
    bekümmerter Baum mehr, jetzt sang er laut Piktoria, Viktoria. Er
    war verwandelt. Und weil er dieses Mal die richtige, die ewige
    Verwandlung erreicht hatte, weil aus einem Halben ein Ganzes
    geworden war, konnte er sich von Stund an weiterverwandeln,
    soviel er wollte. Ständig floß der Zauberstrom des Werdens durch
    sein Blut, ewig hatte er teil an der allstündlich erstehenden Schöp-
    fung. Er wurde Reh, er wurde Fisch, er wurde Mensch und
    Schlange, Wolke und Vogel. In jeder Gestalt aber wurde er ganz,
    war ein Paar, hatte Mond und Sonne, hatte Mann und Weib in
    sich, floß als Zwillingsfluß durch die Länder, stand als Doppel-
    stern am Himmel.« Piktor, der Dichter, der Vogel, ist zu sich ge-
    kommen, hat den ewigen Zwiespalt allen Lebens in sich versöhnt.

    Pistorius
    Einen »ausgewachsenen Sonderling« nennt ihn Hesse im
    ↑ » Demian«. Hinter der Gestalt des »sonderbaren Musikers« Pistorius, der Emil Sinclair in das Geheimnis ↑ Abraxas ein weiht, verbirgt sich Hesses Psychotherapeut Dr. J.B. Lang.

    Politik
    Hesses Distanz zur Tagespolitik ist enorm. Daß er dennoch immer
    wieder in sie verwickelt wird, erleidet er ohne jeglichen Euphe-
    mismus. »Mir liegt alles Politische nicht, sonst wäre ich längst
    Revolutionär.« Das erinnert an ein Wort Franz Bleis, der sagte, der
    Mittelmäßigkeit sei es eigentümlich, daß sie die Versöhnung des
    Individuellen mit dem Allgemeinen in der Politik suche - diese sei
    auch danach. Hesse:
    »Aber Menschlichkeit und Partei schließen sich im Grunde immer
    aus. Beide sind nötig, aber beiden zugleich dienen, ist kaum mög-
    lich. Politik fordert Partei, Menschlichkeit verbietet Partei.«
    Heißt das nun, daß Hesse ein ganz und gar unpolitischer Mensch
    ist, ein naiver Weltflüchtling? Ganz und gar nicht. Robert Jungk
    hat Hesses Politikverständnis so formuliert: »Ein über die Tages-
    politik

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