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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Decker
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lernen, die Weite unserer kindlichen Traum-
    welt wiederzufinden. Dann auch werden die toten Buchstaben
    transparent; es scheinen erinnerungstiefe Bilder und Legenden
    durch sie hindurch. So beginnt das Wort zu leben. Und darin liegt
    das Geheimnis der Sprache Hesses. Sie steht in der Tradition der
    Mystiker. Gott macht sich gleichsam unscheinbar, scheut die gro-
    ßen Gesten, verbirgt sich im Profanen. Er offenbart sich allein im
    Kleinen, in der beiläufigen Geste, etwa in der Natur und ihren un-
    sichtbaren Wachstumskräften ( ↑ Bäume ). Daß diese Art Mystik keineswegs zu einem antiquierten »Auspinseln« wird, sondern, im
    Gegenteil, atemberaubend modern zu sein vermag, darauf ver-
    weist Hugo Ball: »Ein Satz, ja eine Geste oder ein Schweigen er-
    setzen in seinen Büchern den Aufwand ganzer Kapitel.«

    Strauss, Richard
    Hesse mag ihn nicht. Dies Schicksal hat Strauss mit Wagner ge-
    meinsam, den Hesse auch immer weniger mag. Vor allem verübelt
    Hesse Strauss, daß er sich – trotz seiner jüdischen Verwandten –
    von den Nazis feiern ließ. Er sieht in Strauss den von ihm wenig
    geschätzten Typus des »Virtuosen«, der seinen persönlichen Er-
    folg über den Dienst an der Musik stellt. Dem Virtuosen fehle es
    an Demut. »Zu Richard Strauss habe ich nie ein starkes Verhältnis
    gehabt. Die meisten seiner Opern habe ich nie gehört.« An Hesses
    Geringschätzung ändert auch nichts, daß Strauss in seinen »Vier
    letzten Liedern« (1950) drei Hesse-Gedichte vertont hat. Auch die-
    se Vertonungen mag Hesse nicht: »Die Lieder muten mich an, wie
    alle Strauss-Musik: virtuos, raffiniert, voll handwerklicher Schön-
    heit, aber ohne Zentrum, nur Selbstzweck. Ich habe sie nur drei-
    mal im Radio gehört.« (1957)

    Süden
    »Nie konnte ich in kalten Ländern leben, und alle freiwilligen Rei-
    sen meines Lebens waren nach Süden gerichtet.« (»Kurzgefaßter
    Lebenslauf«, 1925)

    T
    Tagebücher
    Ein pflichtbewußter Briefbeantworter, passionierter Leser und
    fleißiger Rezensent – aber nur ein Gelegenheitstagebuchschreiber.
    Hesses kleine Prosa ist auch viel zu autobiographisch, als daß es
    ihn daneben noch zu einem eigenständigen Tagebuchwerk (wie
    bei Thomas Mann, Ernst Jünger oder Julien Green) drängen könn-
    te. Anläufe hat er jedoch – nicht nur auf Reisen – gelegentlich un-
    ternommen. 1917/18 führt er während seiner Psychoanalyse bei
    Dr. Lang ein Traumtagebuch ( ↑ Traum ). In seinem Krisenjahr 1920, nach dem orgiastischen Aufbruch des Sommers 1919, liegt er –
    mitten im August – in der Casa Camuzzi krank zu Bett, frierend
    und tief deprimiert: »Seit Wochen und Monaten liege ich nun im-
    mer im Bett, weil es doch so kalt ist, und weil sonst das Holz nicht
    für den Winter reichen würde, und weil man im Bett mehr Träume
    hat, und auch weil man sich doch schonen und Sorge tragen muß,
    um nicht allzu früh am Ende und verzweifelt mit allem fertig zu
    sein, und überhaupt.« Mit ↑ » Siddhartha« ko mmt er nicht weiter, er unterbricht die Arbeit für anderthalb Jahre. Jetzt möchte er gern
    so etwas wie ein Tagebuch führen. In Rollen hineinschlüpfen, in
    denen er die verschiedenen Existenzmöglichkeiten, die er vor sich
    liegen sieht, durchspielen kann. Aber es bleibt bei Absichtserklä-
    rungen: »Ach, zehn und mehr Tagebücher sollte ich führen. Drei,
    vier habe ich schon begonnen. Eines heißt ›Tagebuch eines Wüst-
    lings‹, eines ›Urwald der Kindheit‹, eines ›Traumbuch‹. Dazu müß-
    te ein Malertagebuch kommen, ein Musiktagebuch, eines über den
    alten Kampf zwischen Lebenstrieb und Todessehnsucht, Tagebuch
    des Selbstmörders, vielleicht auch ein Tagebuch der Besinnungen,
    des Suchens nach Maßstäben: Anwendung des persönlich Ge-
    dachten auf Allgemeines, auf Natur, Politik, auf Geschichte ... Es
    geht nicht, schon das Kleinste ist zuviel, schon das Simpelste zu
    kompliziert, die Hand müßte zwanzig Finger und der Tag hundert
    Stunden haben. O indische Götter mit zehn und zwanzig Armen!
    Wie wahr seid ihr!«

    Taschenmesser
    Man muß es verlieren, damit es zum Thema wird. Als es dann
    eines Tages weg ist, verliert sich mit ihm das letzte Zeugnis des
    ersten großen bürgerlichen Befestigungsversuchs in Gaienhofen.
    Aber auch dieser Verlust wird dem gärtnernden Dichter zum Erin-
    nerungsanstoß. Es war der erste große Erfolg des jungen Dichters
    mit »Peter Camenzind« gewesen, der ihn zur Anlage eines eigenen
    Gartens verführt hatte. Dazu braucht man

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