Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
würde, hatte sie längst keine Zeit mehr, wenn er in der Praxis anrief.
„Manuel, ich habe zu tun. Ich kann jetzt hier nicht stundenlang mit dir telefonieren. Das habe ich dir schon so oft gesagt!“, beendete sie das Gespräch, das nicht einmal eine Minute gedauert hatte. Zu Feiern nahm sie ihn sowieso nicht mit.
„Er hat seine Freunde, ich habe meine, basta! Das möchte ich gerne trennen.“
Marie-Sophie verstand das nicht. Ihr Thomas hätte ruhig mit dabei sein können. Doch der war meistens unten in München und unabkömmlich.
Ja, so war es in vielen Dingen, seufzte sie in Gedanken. Oft konnte sie nicht nachvollziehen, wie Anke dachte oder lebte, aber das machte nichts. Sie mochte sie trotzdem gerne. Vor allem konnten sie wunderbar Hand in Hand miteinander arbeiten, und die Praxis lief rund. Wenigstens bis vor ein paar Wochen. Da war mit einem Mal alles anders. Anke sah plötzlich durch sie hindurch. Es schien sie überhaupt nicht zu geben.
Antworten kamen spärlich und knapp, geradeso, dass der Praxisablauf nicht gestört wurde, reduziert auf ein absolutes Minimum. Sie hatte zuerst überlegt, ob sie Anke fragen sollte, aber das war nicht so einfach.
Wenn Anke verschlossen war, fragte man sie nicht. Sie hätte sowieso abgewehrt.
Marie-Sophie grübelte darüber nach, ob Anke eventuell Streit mit Manuel hatte. Also ließ sie sie in Ruhe und nahm ihr das abweisende Verhalten nicht krumm.
Anke hatte ohnehin eine schwere Zeit hinter sich.
Immer wieder war sie krank gewesen. Schmerzende Knie wechselten sich mit Gallenkoliken ab. Steine mussten entfernt werden. Ihre erste Zeit mit Manuel war von Krankenhausaufenthalten bestimmt gewesen.
Als sich ein vermeintliches Myom in der Gebärmutter als bösartiges Gewebe herausgestellt hatte, war eine Totaloperation unvermeidbar geworden. Der Tumor, der dort schon geraume Zeit existiert hatte, machte weitere medizinische Schritte erforderlich. Zur Sicherheit empfahl man ihr eine Bestrahlung, auch wenn das Geschwür eingekapselt gewesen war.
Für Anke war das körperlich und seelisch zu einer großen Belastung geworden, die sie anfangs eher besser durch Manuels Hilfe ertragen konnte. Später störte seine Fürsorge sie, ohne dass sie zunächst ahnte warum. Irgendwann begriff sie, dass er sie damit stän dig an ihre Situation erinnerte. Aber sie wollte gerne verdrängen.
Marie-Sophie hatte alle Launen geduldig ertragen.
Auch als Ankes Hormone verrückt spielten und sie Phasen hatte, in denen sie weder genießbar war noch ein gutes Haar an ihr ließ. Sie entschuldigte das alles, überlegte, wie sie sich wohl fühlen würde. Als sie jedoch seit jenem besagten Tag neben einer Mauer aus Eis saß und mehr und mehr spürte, wie Anke sie ablehnte, war sie ratlos. Es war nichts vorgefallen. Sie konnte sich an keinen Fauxpas erinnern, an kein falsches Wort oder eine missverständliche Geste. Und doch gab es einen tiefen, unüberwindlichen Graben, der sie beide auf einmal trennte. Marie-Sophie, sich selbst keiner Schuld bewusst, entschloss sich, trotzdem nicht nachzufragen. Da war ein bisschen Stolz dabei und auch Schmerz. Sie war verletzt, zog sich in sich selbst zurück und erledigte ihre Arbeit still. Es war, als ob sie keine Angriffsfläche bieten wollte oder zu einem Dorn im Auge der anderen schrumpfen wollte, der weniger groß war. Ihr blieb die Hoffnung, dass Anke wieder die Alte werden würde.
Das Gegenteil war der Fall. Es wurde schlimmer.
Durcheinander
Die Zeiger der Uhr bewegten sich bereits auf acht Uhr zu. Moni wurde langsam unruhig. Normalerweise hatte Wolf seine Hündin längst zu ihr gebracht. Es konnte kein nächtlicher Einsatz sein, der bis jetzt andauerte, denn schon bei der Vermutung hätte Wolf auch nachts bei ihr geklingelt. Das hatte sie so mit ihm vereinbart. Sie war ratlos und unentschlossen. Eigentlich verschlief ihr Nachbar nie, aber wer konnte das rundherum ausschließen? Es würde ihm doch nichts passiert sein? Am besten, sie schaute mal kurz nach.
Unruhig nahm sie den Schlüssel aus dem Kasten. Sie entschloss sich, die Hausschuhe anzulassen, auch wenn es draußen noch immer nass war. Sie wollte keine Zeit verlieren.
Als sie sah, dass die Schäferhündin bereits hinter der Tür wedelte, entspannte sie sich etwas und entschloss sich zu klingeln, bevor sie Hetzers alte Kate betrat.
„Wolf!“, rief sie. „Bist du da?“
Von oben kam ein krächzendes „Ja! Wo soll ich denn sonst sein?“
„Na, wie gewöhnlich um diese Zeit auf der
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