Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
war diese schon mit Anke in einen langen Dialog verwickelt. Die Kollegin verdrängte Personen wie Moses das Meer. Sie schaffte sich eine Gasse aus Menschen, die vor ihr zurückwichen. Dazu benötigte sie nicht einmal einen Stab. Auch nicht, um Marie-Sophie einen bösen Blick zuzuwerfen, der geeignet war, ihr die sieben Plagen an den Hals zu wünschen.
Die Ungnade, in die sie gefallen war, machte es Marie-Sophie fast unmöglich, sich mit Anke in einem Raum aufzuhalten. Darum war sie erleichtert, als Anke das Zelt verließ, das einen Teil des Parkplatzes überdachte, und sich ins Freie begab. Der dunkle Schleier hob sich und flog davon. Übrig blieb Ankes Thunfischsalat. Eine Köstlichkeit, die beide früher gerne geteilt hatten. Marie-Sophie war hin- und hergerissen, ob sie denn noch ein Schälchen Salat essen sollte. Sie hatte gerade den letzten Bissen vertilgt, als sich Marion zu ihr an den Tisch setzte. Es war fast niemand mehr im Zelt.
„Hallo Frau Schulze, ich wollte schon die ganze Zeit zu Ihnen kommen, aber ich kam noch nicht dazu.“
„Kein Problem.“
„Ich hörte, dass Sie begonnen haben zu malen?“
„Das ist richtig. Es macht mir sehr viel Spaß. Die Welt verschwindet um mich herum, wenn ich mit Farben arbeite.“
„So muss es sein. Ihre Ausstellung wird auch sehr gut angenommen, sagte mein Mann.“
„Wir verlängern noch um vier Wochen, falls Sie noch nicht die Gelegenheit hatten, in der Bücherei vorbeizuschauen.“
„Das muss ich mir merken. Ihre Bilder sind ja bisweilen ganz schön düster, hörte ich. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ihr Arbeitsumfeld zu malen?“
Marie-Sophie stutzte und schaute in Marion Wiebkings Gesicht.
„Wieso? Was meinen Sie?“ Sie hatte eine Ahnung.
„Ich meine, weil da Dinge vorgehen, die in Richtung Grusel und Horror gehen.“
„Ach ja? Bitte erzählen Sie!“
„Nun“, sie senkte ihre Stimme und war kaum noch zu verstehen, „wenn eine Kollegin bereit ist, zehntausend Euro dafür zu zahlen, dass Sie gekündigt werden, dann nenne ich das gruselig.“ Marie-Sophie schluckte. Sie konnte kaum fassen, was sie eben gehört hatte.
„Können Sie mir auch sagen, wer das gewesen ist?“
„Ich glaube, das können Sie sich denken, denn es gibt nur eine Dame mit schwarzen, langen Haaren, die eng mit Ihnen zusammenarbeitet und sie gerne loswerden würde. Sie hat meinem Mann extra am Wochenende in der Praxis aufgelauert. Sie hielte es nicht mehr aus mit Ihnen, sagte sie ihm. Ihre Worte waren: ,Schmeiß sie raus, ich habe geerbt. Das ist mir zehntausend Euro wert.‘“
„Meinen Sie Frau Tatge? Sie ist die Einzige, die den Chef duzt – und die kürzlich geerbt hat“, fragte sie leise. Marie-Sophie konnte es nicht fassen und wollte es jetzt ganz genau wissen, um sicher zu sein.
„Ja, und es gibt noch eine andere Kraft, die gegen Sie arbeitet, von der Sie es am wenigsten vermuten würden. Haben Sie denn noch mit einer anderen Mitarbeiterin Probleme? Ich meine, wir wissen beide, wie Frau Tatge ist. Sie sind nicht die Erste, die ihrer Ungnade zum Opfer fallen soll.“
„Nicht dass ich wüsste. Eigentlich ist es mit allen anderen ganz harmonisch. Keine Ahnung, wer das sein könnte.“
Marion Wiebking nickte. „Passen Sie schön auf sich auf. Die Zeit arbeitet für Sie. Ich weiß, dass Sie meinen Mann schon gebeten haben, ob Sie in einer anderen Abteilung der Praxis tätig sein können. Haben Sie noch ein bisschen Geduld, bitte!“
Nach diesen Worten stand sie auf und ließ eine völlig erschütterte Frau auf der Biergartenbank sitzen.
Mein Gott, was war sie arglos gewesen! So viel Schlechtigkeit und Bosheit konnte sie nicht fassen. Das Gespräch war ihr zusätzlich auf den Magen geschlagen. Sie harrte noch eine Viertelstunde aus, war aber nicht mehr bei der Sache, als sie mit Caro sprach.
„Was ist denn mit dir los? Du bist ganz bleich.“
„Keine Ahnung, mir ist irgendwie schlecht. Vielleicht ein Virus. Ich glaube, ich fahre gleich nach Hause.“
„Ja, du, mach das lieber. Brauchst du Hilfe?“
„Nein, es geht schon. Kannst du mich bei Leslie entschuldigen und bei den Chefs? Ich habe keine Lust, jetzt noch die Runde zu machen.“
„Kein Problem, mache ich. Gute Besserung!“
„Danke!“
Marie-Sophie schleppte sich zum Auto und stieg ein.
Tausend Dinge gingen ihr durch den Kopf. Wenn ein Mensch bereit war, so viel Geld zu bezahlen, um ihrer ledig zu werden, wozu war er dann noch in der Lage?
Doch in den kommenden Stunden konnte
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