Heuchler
seines Elternhauses angekommen war. Für einige Augenblicke hörte das Schnarchen auf und Sjören erstarrte vor Angst, seine Eltern könnten seinen Herzschlag bis in ihr Schlafzimmer hören. Dann endlich machte sein Vater weiter, und er schaffte es bis zu der nächsten Treppe, die hinunter ins Erdgeschoss führte. Da hier die Stufen aus Stein waren, kam er deutlich schneller voran und öffnete kurz darauf die Haustür.
Den kurzen Vorgarten durchquerte er gebückt und erst, als er die Hecke hinter sich wusste, blieb er stehen und streifte seine Turnschuhe, die er zuvor in der Hand gehalten hatte, über. Der Sitz seines Mofas glitzerte nass im fahlen Nachtlicht, aber das war nicht wichtig.
Er schob die Maschine, bis das Haus seiner Eltern außer Sichtweite war, streifte mit der Hand das Wasser vom Sitz und startete den Motor.
Da ihn natürlich auch die Nachbarn gut kannten, gab er sofort Gas und fuhr auf einen Feldweg, der sich rund um den Ort zog. Auch wenn er die hiesigen Polizisten gut kannte, wollte er es nicht riskieren von ihnen aufgehalten zu werden, also verzichtete er darauf, das Licht einzuschalten und fuhr dafür etwas langsamer. Trotz der Dunkelheit kam er gut voran, schließlich war er hier aufgewachsen und kannte beinahe jedes Schlagloch und jede Rille im Boden. Hinzu kam natürlich die Vorfreude seine Katja wiederzusehen, was ihn zusätzlich antrieb. Er hoffte nur, dass auch sie es schaffen würde, sich aus dem Haus zu stehlen. Denn wenn ihr Vater sie dabei erwischen sollte, war es endgültig vorbei und er würde sie vermutlich nie wiedersehen. Eigentlich mochte er Herrn Köstner, aber was seine Tochter anbelangte, hatte er einen Knall! Und als Polizist hätte ihr Vater wissen müssen, dass zuerst einmal die Unschuldsvermutung galt. Aber Herr Köstner hatte ihn sofort für schuldig befunden und sich nichts mehr erklären lassen.
Der Feldweg endete genau hinter dem Ortsschild, und damit fast an der Einmündung des Weges, der zu dem Ferienhaus führte. Er blieb kurz stehen und sah entlang der Hauptstraße in den Ort hinein, wo absolute Ruhe herrschte. Kein Mensch war auf der Straße, nirgends fuhr ein Auto und in den Fenstern der Häuser brannte kein einziges Licht. Es schien, als wäre er alleine auf der Welt, was ihm einen leichten Schauer über den Rücken jagte. Anderseits war er aber auch froh darüber, denn so minimierte sich die Gefahr, gesehen zu werden und er konnte sich mit Katja völlig frei am Strand bewegen. Vielleicht würde sie ja sogar mit ihm schwimmen gehen? Die Temperaturen reichten gerade noch aus und warum sonst hatte sie vorgeschlagen, sich an der Kurve neben dem Ufer zu treffen. Natürlich war die Stelle gut geeignet, da sie noch weit genug vom Haus entfernt war, damit man dort das Mofa nicht hörte, aber nahe genug, damit Katja sie zu Fuß erreichen konnte.
Er gab wieder Gas, überquerte die Straße und fuhr in den Waldweg hinein. Hier war es deutlich dunkler und er musste immer öfter sein Licht einschalten, um sehen zu können, ob er überhaupt noch auf dem Weg oder schon abseits davon fuhr. Permanent einschalten wollte er es nicht, da er nicht wusste, ob man es vom Ferienhaus aus sehen konnte.
Dann kam ein Stück Weg, an dem die Bäume nicht mehr so dicht standen und es etwas heller war, dafür war der Boden hier derart aufgeweicht, dass er diesen Vorteil wieder zunichtemachte. Mehr als einmal verlor er fast die Kontrolle über sein Mofa, und auch wenn es nicht mehr weit bis zum Treffpunkt war, blieb er kurz stehen, um etwas durchzuatmen. Er ließ den Motor ausgehen, zog den Helm über seinen Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Knapp neben ihm brach ein Ast in der Dunkelheit und ließ Sjörens Phantasie anspringen. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er mutterseelenallein in diesem Wald war und dass auch Katja gerade durch diese Dunkelheit stolperte. Ein Frösteln durchlief ihn und weiteres Knacken, jetzt noch näher, holte ihn aus seinen Gedanken.
Widerwillig drehte er sich um und erstarrte. Gelähmt vor Schreck traute er sich nicht mehr, sich zu bewegen. Keine fünf Meter hinter ihm stand ein ausgewachsener Elchbulle und starrte ihm direkt in die Augen. Noch bevor Sjören eine Entscheidung treffen konnte, gab das mächtige Tier einen gelangweilten Grunzlaut von sich und verschwand dann seelenruhig in der Schwärze der Nacht. Sjören fiel jetzt erst auf, dass er seit einer Minute nicht mehr geatmet hatte.
Um sich Orientierung zu verschaffen, ließ er den
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