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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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wirklich seine Freude haben.

     
    * * *

     
    Die Natur hatte schließlich ihr Recht gefordert. Der kleine Junge war endlich eingeschlafen. Er träumte noch nicht von der Schokolade, auf die er sich schon so freute, denn er befand sich noch in der Phase des ersten Tiefschlafes. Er hörte nicht, dass seine Schwester schon gute zehn Minuten wie am Spieß brüllte, auch nicht, dass der Polizist Fritz Neubauer wie ein Verrückter an der Wohnungstüre rüttelte und immer wieder sagte »Ich bin ein Freund von Fritz, ich bin doch ein Freund vom Fritz.« Natürlich hörte er auch nicht das wiederholte, minutenlange Schrillen des Telefons. Schließlich trat Palinski, dem der formale Mist um die Frage, ob man die Türe nun öffnen durfte oder nicht und ob man dazu die Feuerwehr rufen sollte, auf die Nerven ging, ohne Vorankündigung die Türe einfach ein. Was eher eine Abreaktion seines aufgestauten Frusts gewesen war, erwies sich als höchst effektiv. Dieses allerdings nicht allzu massiv wirkende Hindernis stand plötzlich offen und niemand war überraschter darüber als Palinski selbst. Da heißt es immer, das Fernsehen verblödet einen, dachte er. Dabei hatte er diesen speziellen, kräftigen Tritt gegen das Schloss erst vor einigen Wochen in einem Spätabendthriller gesehen.
    »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«, war Franca Aigners erleichterter und gleichzeitig aufmunternder Beitrag zu dieser gelinde gesagt nicht ganz gesetzeskonformen Methode, sich Zugang zu verschaffen. Als Zivilist hatte Palinski aber die besten Chancen von allen Anwesenden, im Falle von Schwierigkeiten mit einer »partiellen Bewusstseinsstörung« als Ausrede durchzukommen.
    Vorsichtig betrat die kleine, aus Wallner, Franca Aigner, Fritz Neubauer, dem gewalttätigen Aufbrecher und zwei Beamten des zuständigen Kommissariats bestehende Gruppe die kleine Wohnung am Hernalser Gürtel.
    Der intensive Gestank nach kindlichen Fäkalien raubte ihnen den Atem und ließ Wallner und Neubauer sofort alle Fenster öffnen. Im Wohnzimmer fand Franca den inzwischen nur mehr schwach wimmernden Säugling und den kleinen Martin, der zusammen gerollt auf der Couch schlief.
    Zehn Minuten später war auch der Notarztwagen da und die erste Untersuchung ergab Erfreuliches. Beide Kinder, insbesondere das Baby, waren zwar stark verschmutzt und etwas unterkühlt, im Übrigen aber wohlauf. Sie wurden für weitere Untersuchung ins Allgemeine Krankenhaus gebracht.
    Am Gang hatten sich inzwischen trotz der späten Stunde einige Bewohner der Nachbarwohnungen versammelt, die durch den ungewohnten Lärm auf dem Gang und die aufsplitternde Türe aufmerksam geworden waren.
    »So was hören die Leute sofort und schauen nach, was los ist«, wunderte sich Franca, »aber wenn ein Kind den ganzen Tag über weint, ist das offenbar nicht weiter auffällig .« Und es klang genauso bitter, wie sie es empfand.
    Palinski betrachte die zahlreichen an der Wand hängenden und auf verschiedenen Flächen aufgestellten Fotos und vermisste eine bestimmte Person darauf. Die beiden darauf immer wieder mit und ohne Kinder abgebildeten jüngeren Frauen hatten nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Toten aus dem Müllcontainer.
    Der bei allen vorhanden gewesene, in der ersten Euphorie aber von Wunschdenken verdrängte leise Zweifel, dass das Baby hier möglicherweise nicht d a s Baby sein könnte, verdichtete sich damit zur Gewissheit. Plötzlich fühlte sich Palinski unendlich müde und traurig.
    Schließlich versiegelte Wallner die Wohnung. Dann hinterließ er eine Nachricht an der Türe, in der Frau Sobotka, die Mutter Martins und Gabys, bei sonstiger Androhung von Zwangsmaßnahmen aufgetragen wurde, sich sofort mit der zuständigen Dienststelle der Polizei in Verbindung zu setzen.
    Dann versammelte sich die Gruppe in der Wohnung eines Nachbarn, um die für die Klärung der Situation und die weitere Vorgangsweise notwendigen Informationen einzuholen.
    »Seid die Frau Sobotka den neichen Freind hot, is eftas iba Nocht wegblim«, berichtete Franz Naschütz, der Nachbar. »Oba do is imma Ihr Schwesta, eine Frau Martha Wagler zum Aufpassn kumman. A nette Frau, sea zuverlässig .«
    »Das sieht man«, konnte sich Franca nicht zu sagen verkneifen. »Sagen Sie, ist Ihnen das Geschrei des Babys den ganzen Tag über nicht aufgefallen ?«
    »Nau freuli. Oba der Baungert plärrt jo imma den gonzn Tog«, räumte der Mann ein. »Des hea i schon goa nimma .«
    Eine halbe Stunde später saß Palinski endlich

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