Heurigenpassion
gefürchtet hatte. Wen sollte er jetzt enttäuschen, wem den Rücken stärken? Am besten keinem der beiden.
Da kam ihm eine möglicherweise rettende Idee, ein vertretbarer Kompromiss vielleicht.
»Kennen Sie eigentlich das Paradoxon des Epimenides ?« , fragte er die verdutzt blickende Anwältin.
»Ich habe mich während des Studiums ein wenig mit Paradoxien beschäftigt«, räumte Annemarie ein. »Welches davon von diesem Epimenides stammt, weiß ich im Moment aber nicht. Aber was hat das bitte mit Marinov zu tun ?«
Unbeirrt fuhr Palinski fort. »Epimenides hat die Behauptung aufgestellt, dass alle Kreter lügen .« Die Sumser blickte ihn an, als ob sie nachhaltig an seiner geistigen Gesundheit zweifelte.
»Das bedeutet aber«, wollte er fortfahren, doch die Anwältin unterbrach ihn. »Ich glaube, ich weiß, worauf das Ganze hinausläuft. Aber ich verstehe noch immer nicht ...«
Jetzt unterbrach sie Palinski. »Höret und Ihr werdet Antworten erhalten, wo Ihr keine erwartet hättet«, blödelte er los. »Das ist nicht von Epimenides, sondern von mir .«
Jetzt schien der Groschen bei Annemarie gefallen zu sein. Oder sagte man jetzt Cent? Sie nickte und lehnte sich zurück.
Endlich, dachte Palinski, ich habe sie doch nicht überschätzt. Jetzt hatte sie kapiert, dass er ihr etwas mitteilen wollte, ohne direkt darüber zu sprechen.
»Ich habe das Paradoxon mit den Kretern etwas abgewandelt und sage jetzt: Palinski schwindelt immer. Und Palinski sagt auch, dass Marinov jede Menge Geld zur Seite geschafft hat .« Er legte sich die Hand vor dem Mund machte eine Geste, die man als »Jetzt ist aber Schluss damit« verstehen konnte und auch sollte. Die Anwältin war zunächst etwas ratlos. Was wollte er ihr damit eigentlich sagen?
Falls er immer schwindelte und im selben Atemzug sagte, dass Marinov Geld habe, dann bedeutete das zunächst, dass die zweite Aussage nicht stimmte. Marinov also kein Geld hatte. Wenn das so war, warum hatte er dann nicht einfach gesagt, dass da kein Geld war? Aber das Paradoxon fing ja gerade erst an.
Falls Palinski aber immer schwindelte, dann war auch die Aussage selbst falsch. Das würde allerdings bedeuten, dass die darauf folgende Aussage möglicherweise doch den Tatsachen entsprechen konnte. Und Marinov tatsächlich irgendwie über Geld verfügte. Wie sie eigentlich auch angenommen hatte.
Falls sie das Ganze weiter durchdachte, würde sie zweifellos irgendwann in den nächsten Tagen verrückt werden.
Ehe sie sich dieser Gefahr aussetzte, beschloss die Anwältin, anzunehmen, dass Marinov noch irgendwo über ausreichende Mittel verfügte. Das war genau das, wovon sie schon die ganze Zeit ausgegangen war. Wahrscheinlich war das auch die Botschaft, die Palinski ihr vermitteln hatte wollen.
»Sie haben eine ganz schön komplizierte Art, einem Nachrichten zu übermitteln .« Sie funkelte Palinski belustigt an. »Oder ist das Ihre Art, Arroganz zu zeigen? Gefällt mir aber, gut sogar. Ich werde Marinov also verstärkt im Auge behalten, auch wenn wahrscheinlich nicht viel dabei heraus kommt. Ich kann ihn ja schlecht rund um die Uhr observieren lassen .«
Der Mittelteil dieser Aussage Sumsers beinhaltete die dritte der gewaltigen Fehleinschätzungen, die diesen Fall so einzigartig machen sollten.
Die Steaks waren köstlich, der Knoblauch, weil beidseitig genossen, nicht störend und der Salat knackig. Nicht zuletzt erwies sich der herrliche Merlot aus Annemaries Keller als schwerer als Palinski ihn eingeschätzt hatte.
Der bisherige Verlauf des Abends ließ langsam aber sicher nur mehr einen einzigen Schluss über sein Ende zu. Palinskis Bereitschaft, sich fallen zu lassen stieg direkt proportional mit seinem Alkoholspiegel.
Plötzlich glaubte er, Wilmas warnende Stimme zu hören. »Wenn Du jetzt nicht sofort aufhörst, mit dieser Frau herumzumachen, dann wird wohl nichts mehr aus uns beiden werden .«
Ein Ruck ging durch seinen Körper, der auch Annemarie nicht verborgen blieb. »Was ist los mit dir, Mario«, sie löste sich aus seinen Armen.
»Willst du wissen, warum ich Mario heiße ?« , hörte sich Palinski zu seiner größten Überraschung fragen.
»Ja, nein, eigentlich nicht wirklich«, stammelte die sexy Anwältin überrascht. »Ist das in diesem Moment wichtig ?«
Palinski nickte. »Ich glaube schon .« Dann erzählte er ihr von Wilma, von Tina und Harry und dass er nicht tun könne, was er wahrscheinlich tun würde, wenn er jetzt nicht aufhörte. Und er erzählte ihr
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