Heurigenpassion
wieso wusste er es?
»Du solltest zur Polizei gehen, solange noch Zeit ist. Vielleicht lässt sich die Sache als Unfall oder Totschlag darstellen und du bist in Nullkommanichts wieder aus dem Schlamassel heraus .« Der Alte blickte sein Gegenüber ernst an. »Ich werde dich sicher nicht anzeigen, aber ich werde auch nicht lügen, wenn mich die Polizei befragen sollte .«
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach der Jüngere. »Es wird aber sicher nicht so weit kommen .«
»Dann ist es ja gut, Bub«, der Alte schien zufrieden. Aber er kannte sein Gegenüber doch nicht so gut, wie er glaubte.
* * *
Annemarie hatte wirklich recht gehabt. Heribert Marinov war ein sympathischer Bursche. Wohl ein Blender und immer hart an der Grenze der Legalität wahrscheinlich, aber sympathisch. Palinski konnte sich gut vorstellen, wie er mit seinem Schmäh den Leuten das Geld aus der Nase gezogen hatte.
»Danke, vielen Dank«, Marlinov überschlug sich fast vor Dankbarkeit, dass Palinski es sich nicht einfach gemacht und den Brief der Polizei übergeben hatte. »Ich will alles tun, um Amelie wieder frei zu bekommen. Gesund und so rasch wie möglich.«
»Wollen Sie nicht doch lieber die Polizei einschalten ?« , versuchte Palinski den Mann zu bewegen. »Die Leute dort sind sehr kompetent und für so heikle Probleme ausgebildet .«
Marinov überlegte kurz, dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Mein Verstand gibt Ihnen zwar recht«, räumte er ein. »Aber mein Bauch sagt mir: Nur keine Polizei .«
Palinski konnte den Mann durchaus verstehen. Wahrscheinlich würde er in einer ähnlichen Situation auch nicht anders handeln. »Was werden Sie jetzt also machen ?« , setzte er nochmals nach. »Werden Sie bezahlen ?«
»Ich weiß zwar noch nicht wie«, Marinovs Gesicht nahm einen entschlossenen Zug an, »aber ich werde das Geld auftreiben. Ein Freund schuldet mir noch einen Gefallen. Vielleicht kann er helfen .«
»Und was machen Sie, falls der Freund nicht helfen kann oder will ?«
»Dann muss ich wohl meine Altersvorsorge angreifen .« Marinov lächelte entschuldigend »Offiziell habe ich zwar nichts mehr, aber Sie wissen ja, wie das so ist .« Plötzlich hatte er Bedenken. »Sie werden mich doch nicht verraten .«
»Ich werde sicher nicht zum Finanzamt laufen und Sie vernadern«, beruhigte ihn Palinski. »Sollte es aber je zu einer Befragung durch die Polizei oder zu einer Gerichtsverhandlung kommen, kann ich die Aussage natürlich nicht verweigern. Ich bin kein Anwalt .« Er blickte Marinov direkt an. »Und eine Falschaussage können Sie nicht von mir erwarten .«
»Also mit diesem Risiko muss ich eben leben .« Marinov lachte schon wieder. »Ich kann auch nie meinen Mund halten. Aber die ganze Sache wird sich ohnehin diskret erledigen und kein Mensch wird etwas mitbekommen .«
Das war bereits die zweite der später für diesen Fall als typisch erkannten eklatanten Fehleinschätzungen.
»Rufen Sie mich doch an, sobald die Angelegenheit erledigt ist«, bat Palinski abschließend noch, »damit mich meine Neugierde nicht umbringt .«
* * *
In einem der führenden Wellness-Hotels in der steirischen Thermenregion posierte Amelia Balos oder Andrea Ballowetz, wie sie sich hier nannte, für einige TV-Aufnahmen. Diese sollten zwischen den dramatischen Sequenzen mit Heribert, vor und während der Geldübergabe und ähnlichen packenden Szenen als skuriller Kontrast eingespielt werden, erklärte ihr Frederick. »Die Zuseher lieben so was«, betonte er, »den Kontrast zwischen den scheinbaren Troubles des Helden und dem realen Schicksal des Dummies .«
Amelie fand es irgendwie irritierend, dass sie an der Bar sitzend und Drinks schlürfend gezeigt werden sollte, während sich Heribert aus Sorge um sie in die Hosen machte. Aber sie sagte nichts. Das war eben zeitgemäße TV-Unterhaltung für die Familie.
»Komm, jetzt müssen wir dich noch für die Aufnahme für den zweiten Brief schminken«, rief ihr Marion, Fredericks Assistentin, zu. »Der muss morgen zur Post, damit er am Mittwoch bei Herrn Marinov ist .«
Eine halbe Stunde später sah Amelie aus, wie jemand, der gerade noch dem Massaker des großen Kettensägenmörders entkommen war. Dazu hielt sie eine Tafel mit der dramatischen Aufschrift »Lass mich bitte nicht im Stich« in die Kamera. Sie fand auch diese Inszenierung etwas krass, aber bitte. Sie wollte und konnte den Fachleuten nicht dreinreden. Auf jeden Fall würde das Bild auch bei weitaus
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