Heurigenpassion
Verdacht. Bei der Freundin mit dem klingenden Namen handelte es sich um eine bekannte 45-jährige Edelprostituierte, deren Spezialität es war, junge Männer, die Probleme im sexuellen Umgang mit dem anderen Geschlecht hatten, sanft und liebevoll in die Materie einzuführen. Tatsächlich legte Josefa Brandberger, so ihr bürgerlicher Name, wert auf die Berufsbezeichnung »Sexualberaterin .«
Ein weiterer Anruf, diesmal in der »Beratungsstelle« brachte zu Tage, dass zumindest die offiziellen Beratungszeiten am späteren Nachmittag begannen und Madame Ferrari erst ab 17 Uhr erreichbar war.
Die drei beschlossen, am frühen Abend einen Ausflug in die nette kleine Stadt an der Donau, etwa 30 Kilometer westlich von Wien zu machen.
* * *
Dr. Annemarie Sumser saß eben mit einem Klienten im Besprechungszimmer der Kanzlei. Bei dem Fall ging es um einen Nachbarschaftsstreit, der sich schon seit mehr als zwei Jahren hinzog. Der für jeden Außenstehenden absolut blödsinnige Streitgrund, ein zwanzig Zentimeter breiter und knapp 3 Meter langer Streifen Wiese zwischen den benachbarten Gärten, beschäftige bereits die Berufungsinstanz und ließ das Geld in den Kassen der beiden Anwaltskanzleien klingeln.
Die Anwältin hatte Schwierigkeiten, den Ausführungen ihres Mandanten mit dem nötigen Ernst zu folgen. Sie war daher eher dankbar, als sie von ihrer Kanzleigehilfin zu einem wichtigen Telefongespräch in ihr Büro geholt wurde.
»Dr. Sumser«, meldete sie sich.
»Sind Sie die Masseverwalterin im Konkurs Marinov ?« , wollte eine heiser flüsternde Stimme wissen, die keinen Rückschluss auf das Geschlecht des Anrufers zuließ.
»Ja, das stimmt«, bestätigte die Anwältin. »Und mit wem spreche ich ?«
»Das ist für die Gläubiger Marinovs nicht von Belang«, meinte die Stimme, »meine Information dagegen sehr. Im Augenblick ist Herr Marinov in der Filiale der ›Helvetia Credit‹ in der Wachturmgasse in Zürich. Er wird die Bank in Kürze mit einem Koffer mit 250.000 Euro verlassen und dann über Frankfurt nach Wien fliegen. Voraussichtliche Ankunft mit der AUA um 21.30 Uhr in Schwechat. Machen Sie das Beste daraus .«
Ehe Dr. Sumser noch etwas erwidern konnte, hatte der unbekannte Anrufer das Gespräch auch schon beendet.
Jetzt hatte sie das Jagdfieber gepackt. Ein Telefonat mit dem Bezirkgericht Döbling stellte erfreulich unbürokratisch sicher, dass Herr Zwettler, der Chefgerichtsvollzieher, selbst sie zum Flughafen begleiten würde, um gegebenenfalls an Ort und Stelle eine Taschenpfändung durchführen zu können.
Jetzt stand ihr Sinn noch weniger nach den Streitigkeiten zweier Nachbarn um ein Futzerl Wiese. Sie schob einen dringenden Notfall vor und vereinbarte einen neuen Termin mit dem geschassten Mandanten.
Dann gab sie dem immer stärker werdenden Drang nach, mit jemandem über die Sache sprechen zu wollen, und wählte die Nummer Palinskis. Nach den Erfahrungen des letzten Abends fiel ihr das nicht ganz leicht, aber sie schaffte es. Und freute sich, als sie seine Stimme vernahm.
* * *
Amelia Balos war sauer. Und ein wenig verunsichert. Bis jetzt hatte sie sich mit Frederick, dem Produktionsleiter dieser Pilot-Ausgabe des neuen TV-Formats »Schicksalswette«, ausgezeichnet verstanden.
Auch heute noch, bis nach dem Frühstück. Er hatte ihr, die keine Ahnung vom Fernsehgeschäft hatte, einiges erklärt. So hatte sie beispielsweise wissen wollen, warum ihre Funktion in dem Spiel eigentlich »Dummie« genannt wurde. »Das klingt doch irgendwie, na komisch eben«, hatte sie gemeint.
Geduldig hatte ihr Frederick erklärt, dass der Begriff von den »Crash-Test Dummies« abgeleitet worden war. »Das sind diese Puppen, die in den Autos sitzen und mit 60 Kilometern in der Stunde gegen ein Hindernis donnern. Diese Puppen sind in einen Unfall verwickelt, bei dem in Wirklichkeit aber niemandem etwas geschieht .« Ihre Rolle sei so ähnlich. »Du bist scheinbar entführt worden und doch passiert tatsächlich gar nichts .«
Das leuchtete ihr ein, obwohl die Bezeichnung noch immer missverstanden werden konnte.
Plötzlich hatte Amelia bemerkt, dass sich Frederick immer deutlicher für sie zu interessieren schien. So weit, so gut, das hatte ihr zunächst sogar geschmeichelt. Langsam wurde es aber lästig, weil nicht mehr zu übersehen war, dass sich der Mann mit nichts weniger als Sex zufrieden geben würde.
Sie war kein prüdes Mauerblümchen und wäre unter anderen Umständen einem
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