Heurigenpassion
den Kopf. Sah tatsächlich aus wie ein Lachen, fand sie auch nach dem zweiten Hinsehen.
»Vergessen Sie, dass Sie diesen Brief je gesehen haben«, schärfte sie der Kanzleigehilfin ein, »sonst bekommen wir Probleme .« Dann wählte sie Palinskis Nummer und informierte ihn.
* * *
Der Anruf der Anwältin erreichte Palinski im Büro Wallners. Um ungestört sprechen zu können, täuschte er ein Funkloch vor und verließ nach einigen pantomimischen Verrenkungen den Raum. Er war über das Eintreffen des Schreibens nicht halb so überrascht wie Annemarie. Für ihn war es nur logisch, dass da noch etwas nachkommen hatte müssen. Er verabredete mit ihr, den Brief später zu holen. Nach vorherigem Anruf. Marinov wollte er vorerst telefonisch über den Inhalt des Schreibens in Kenntnis setzen. Das versuchte Palinski dann auch zweimal, aber ohne Erfolg. Sowohl am Festnetzanschluss als auch am Handy des Mannes meldete sich niemand.
Als Palinski in Wallners Büro zurückkam, brachen der Inspektor und Sandegger gerade auf. »Wir sehen uns jetzt nochmals in Huntzingers Wohnung um. Irgendwo müssen die vier fehlenden Negative schließlich sein«, hoffte Wallner. Palinski hatte sich noch nie einer Herausforderung entzogen, oder zumindest fast nie. So auch jetzt.
Zehn Minuten später betraten die drei Männer die polizeiversiegelte kleine Wohnung in der Himmelstraße. Sie begannen systematisch mit der Suche. Zunächst das Wohnzimmer mit dem Schreibtisch, der Bücherwand und einem relativ wertvoll aussehenden Sekretär. Bodenseebarock, wie der in diesen Dingen bewanderte Sandegger vermutete. Aber auch das in diesem schönen Stück zu Recht vermutete Geheimfach enthielt nichts der gesuchten Art.
Auch die penible Durchsuchung der übrigen Räume brachte keine Ergebnisse, sah man von einigen Ausgaben des »Playboys« ab, die verschämt unter einem Stapel alter Langspielplatten versteckt waren. Ja selbst in den in Kriminalfilmen so beliebten Verstecken wie dem Spülkasten im WC oder der Bröseldose in der Küche, nada, nichts, niente.
Mehr resigniert als erschöpft nahmen die drei Männer im Wohnzimmer Platz und hofften auf eine Eingebung. Palinski hatte die Gabe, Abläufe wie einen Film speichern zu können und diese später nochmals vor seinem geistigen Auge ablaufen lassen zu können. Das machte er auch jetzt.
»Nicht schlafen«, meckerte Wallner, «dazu haben wir keine Zeit .«
Palinski ließ sich aber nicht ablenken, sondern forschte weiter in seiner Erinnerung. Irgendetwas war ihm aufgefallen, hatte sich in sein Unterbewusstsein gesetzt und wartete nur darauf, an die bewusste Oberfläche geschwemmt zu werden. Was war das bloß gewesen?
Und wo hatte er es gesehen? Er hatte alle Räume durch bis auf das Klo. War im Klo etwas anders gewesen als zu erwarten gewesen war? Möglich, er war sich noch nicht sicher. Was konnte dort anders gewesen sein? Da war ja nicht viel außer einem größeren Vorrat an doppellagigem, poposchmeichelndem Häuselpapier. Mindestens zehn Rollen waren auf einem an der hinteren Wand über dem Spülkasten eingelassenen Board gestapelt. Alle weiß, gleich hoch, gleich breit und in Reih und Glied aufgestellt wie die Prinzengarde beim Villacher Fasching. Halt, eine Rolle hatte die vorbildliche Ordnung irgendwie gestört. Nicht so stark, dass es sofort ins Auge gesprungen wäre, aber doch.
Palinski stand auf. »Ich geh nochmals aufs Häusl«, teilte er den beiden Anderen mit.
»Seit wann informierst du uns über deine Verdauungstermine ?« , flachste Wallner und Palinski ließ ihn. Wenn es dem Freund half, seinen Frust zu bewältigen, dann sollte es ihm recht sein.
Eine Minute später war er schon wieder zurück. »Unterdrücke deine nächste Bemerkung«, ermahnte er den Inspektor. »Ich glaube, ich habe etwas, was deine Laune verbessern wird .«
Langsam begann Palinski, die Papierrolle in seiner Hand abzuwickeln. Nach rund 12 Metern, die sich vor den Füßen der langsam um den Geisteszustand ihres zivilen Kollegen besorgten Beamten langmachten, tauchte das Gesuchte endlich auf. Huntzinger hatte das Stück Film in der Klorolle versteckt.
Wallner klatschte begeistert in die Hände, sein Frust war schlagartig verschwunden. Selbst der eher spröde, wortkarge Martin Sandegger geizte heute nicht mit Anerkennung.
»Ich war ja anfänglich etwas skeptisch, was unsere Zusammenarbeit betrifft. Aber Sie haben mich überzeugt, Herr Palinski. Das war wirklich spitze .«
Bei Aussprüchen wie diesen wurde
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