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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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geliebte Mädchen zu opfern, das Geld jetzt aber anderen Zwecken zugeführt worden war, war der Handlungsspielraum des Erpressten sehr klein geworden. Wie sollte der Mann da wieder herauskommen? Gab es den guten Freund, der ihm noch einen Gefallen schuldete, oder war das nur eine Art Notlüge gewesen? Hatte er noch irgendwo Mittel versteckt, die ausreichten, den geforderten Betrag zu erbringen oder waren seine Möglichkeiten erschöpft? Palinski hatte nie in seinem Leben mit dem »Big Money« zu tun gehabt und daher keine Vorstellung, wie viel man an all den geldgierigen Institutionen vorbei in Sicherheit bringen konnte. Die 250.000 erschienen ihm aber schon ein äußerst großer Brocken zu sein.
    »Am besten wäre es, jetzt die Polizei ins Vertrauen zu ziehen«, meinte er zu Annemarie. »Ich überlege bloß, wie ich das anstellen soll, ohne mein gegebenes Wort zu brechen .«
    »Versuch es doch mit Deinem Paradoxon«, regte Annemarie an, »das hat zumindest mich ziemlich beeindruckt .«
    Das war keine üble Idee, allerdings war Helmut Wallner alles andere als ein Philosoph. Er würde sich eine »Light«-Version für den Freund überlegen müssen.
    Einen Moment lang war Palinski in Versuchung, die Anwältin auf einen Drink einzuladen. Mit all den Unabwägbarkeiten, die so eine Einladung mit sich bringen konnte. Aber er blieb standhaft, sicherte ihr zu, sie auf dem Laufenden zu halten und wünschte ihr eine gute Nacht.
    Dann holte er sich ein Glas Zweigelt aus der Küche und nahm wieder Platz am PC. Er gab die Bezugsworte »Erpressung«, »Freundin« und rein instinktiv auch »fingiert« ein. Warum, würde er auch später nicht beantworten können.

6
    Heribert Marinov saß der Schock noch tief in den Knochen, als er an diesem Morgen aufwachte. So etwas Erniedrigendes und Deprimierendes, wie das, was ihm gestern am Flughafen widerfahren war, hatte er noch nie erlebt. Je heller es am Horizont wurde, desto mehr wichen aber die Schatten der Nacht. Die aufgehende Sonne verjagte schließlich die letzten Gespenster und sein alter Optimismus gewann wieder die Oberhand.
    Als erstes musste er sich Geld beschaffen, denn der Rest, der ihm von dem freundlicherweise überlassenen Hunderter geblieben war, reichte nicht einmal mehr für eine Tankfüllung seines bzw. Ingrids Coupé.
    Das Problem würde er aber leicht durch den Verkauf einiger Münzen lösen, die seine Frau von ihrem Vater geerbt hatte. Er würde einige der Dubletten nehmen. Deren Fehlen dürfte am wenigsten auffallen.
    Als zweites wollte er sich Klarheit verschaffen, ob und von wem er beschattet wurde. Das ob stand für ihn eigentlich schon fest. Woher sonst hätte wer immer auch wissen können , dass er in Zürich gewesen war?
    Dann musste er überlegen, welche falschen Spuren er legen konnte, um unbemerkt zu seinem eigentlichen Ziel zu gelangen. Einfacher ausgedrückt, er musste seinen oder seine Verfolger irgendwie abhängen.
    Schließlich musste er sich noch vergewissern, ob der diskrete Handelsmann in der Stadt war, der ihn wiederholt mit den kleinen wertvollen Kohlenstoffkristallen versorgt und zugesagt hatte, ihm diese bei Bedarf wieder abzukaufen.
    Wenn alles einigermaßen nach Plan lief, würde die Geldübergabe am Freitag planmäßig über die Bühne gehen können und Amelia wieder frei sein. Obwohl er den Plan der Entführer noch gar nicht kannte. Er fragte sich, wann und wie ihn diese Informationen erreichen würden. So leicht konnte man einen Heribert Marinov nicht fertig machen. Das gestern war nur eine Schlacht gewesen, die er verloren hatte. Den Krieg würde aber er gewinnen.

     
    * * *

     
    Annemarie Sumser blickte entgeistert auf das Schreiben, dass ihr ihre Kanzelgehilfin eben auf den Tisch gelegt hatte.

     
    HALLO DU MISTSTÜCK
    HAST DU DAS GELD SCHON? WENN NICHT,
    DANN WIRD ES LANGSAM ZEIT.
    NOCH GEHT ES AMELIE GUT. WIE LANGE
      NOCH, LIEGT GANZ BEI DIR:
    ERWARTE WEITERE INSTRUKTIONEN FREI-
    TAGS AB 20 UHR
    UND NOCHMALS KEINE POLIZEI, SONST ...

     
    Dazu ein Foto mit einer dramatisch geschminkten Amelia, die anscheinend nicht wirklich verletzt war. Aber einen drastischen Eindruck vermittelte, wie sie aussehen würde, wenn ... Die Tafel mit der Aufschrift »Lass mich bitte nicht im Stich« war gar nicht mehr erforderlich, um den Ernst der Situation deutlich zu machen.
    Obwohl, die angstverzerrte Fratze in dem total mit roter Farbe oder Ketchup verschmierten Gesicht der jungen Frau hätte genau so gut ein Lachen sein können, ging es ihr durch

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