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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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zusammen am Wasser und warten auf einen Anruf. Ich stochere schon seit zwanzig Minuten in meinem Essen herum. Rob isst wie immer etwas Rotes, Fleischiges, ich esse wie immer etwas Grünes, Gesundes.
    Telefon. Ich bohre unwillkürlich meine Gabel in Robs Essen. Ein Fettrand. O Gott.
    »Alle sind sich darüber einig, dass eine Operation nicht möglich ist. Wir fangen gleich mit der Bestrahlung an.«
    Ich verstehe nicht. »Du kannst doch einfach wegschneiden, was da zu viel ist.«
    »Nein, das geht nicht. Das ist eine Operation, die wir schon seit den Siebzigerjahren nicht mehr machen. Zu schwieriges Operationsgebiet. Wir würden mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken.«
    »Ah. Und jetzt?«
    »Ich habe für nächste Woche einen Termin bei Doktor O. im AMC für dich gemacht. Ein Strahlentherapeut. Er wird dir alles erklären.«
    »Hast du schon deine Mails gelesen?«
    »Ja, und auch schon beantwortet. Die MRT sah gut aus, wie sie’s gesagt haben.«
    »Puh.«
    »Sonst keine Beschwerden?«
    »Nein.«
    »Fühlst du dich gut?«
    »Ja, nur etwas schlapper als sonst.«
    »Das kommt wahrscheinlich von den niedrigen Blutwerten. Wann musst du wieder zur Blutuntersuchung? Vielleicht müssen wir dir doch noch eine Transfusion geben.«
    »Am Montag.«
    »Okay, dann schau noch kurz bei mir vorbei. Bis dann. Schönes Wochenende.«
    »Danke, dir auch, bis Montag.«
    »Tschüs, Sophie.«
    »Tschüs, Doktor.«
    Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder ängstlich sein soll. Auf eine zwanzig Zentimeter lange Narbe bin ich nicht scharf, aber um gesund zu werden, würde ich auch die in Kauf nehmen.
    Und da passiert es, zwischen Armkneifen, Kuscheln und freundschaftlichen Küsschen. Ein langer Blick, gefolgt von einem langen Kuss. Rob fegt meine Angst weg. Verliebt.

[home]
    Freitag, 1. Juli 2005
    Ich schlage die Augen auf. Neben mir liegt jemand. Ich zwinkere, und er ist wieder weg. Auf, zu, auf, zu.
    Auf.
    Schultern, Rücken und Arme tief gebräunt. Graubraunes Haar und ein imposanter Kopf. Wie aus der Marlboro-Reklame. Seine Arme sind verschränkt, liegen halb auf dem Kissen. Seine Augen sind geschlossen. Ich drehe mich behutsam auf die Seite, suche mit den Augen nach Blondie und setze mich im Bett auf. Es ist noch dunkel draußen. Vorsichtig ziehe ich die Perücke über meinen Schädel und krieche wieder unter die Decke, schmiege mich an Robs warmen Körper. Die Haut um meine Augen ist wie die auf meinem Schädel rosig und glatt. Nackte Pobacken. Ich gebe Rob einen Kuss auf die Nase.
    Seine Augen öffnen sich langsam. Ein Lächeln. »Hallo, meine Schöne, gut geschlafen?«
    Ich nicke.
    »Wie spät ist es?«
    Ich zucke die Schultern.
    Wir schauen.
    Und schauen.
    Komisch, wie sich ein Gesicht verändert, wenn man näher herankommt. Wieder ein Lächeln. Wir schauen immer noch. Seine Hand streicht über meinen Arm. Ich kuschle mich noch enger an ihn. Und dann ein Kuss. Unter der Decke suchen meine Beine nach seinen und seine Beine nach meinen. Meine Perücke rutscht völlig unpassend über meinen Kopf, aber ich kann nicht ohne. Ich bin verliebt und will mich zu hundert Prozent als Frau fühlen. Sexy, begehrt, geliebt und unwiderstehlich. Und mit einem Krebskopf gelingt mir das nicht.
    »Setz sie doch ab, Liebste.«
    »Nein.«
    »Du bist wunderschön ohne.«
    »Ich kann nicht.«
    Rob kennt mich noch aus der Zeit der hochgesteckten Haare, der politischen Ambitionen und des Weineinschenkens im Straßencafé. Aber auch als ein zutiefst deprimiertes Mädchen, das nicht mehr aus noch ein weiß. Eines Tages kam er in die Kneipe, in der ich an der Bar arbeitete, und schon bald gehörte er zu den Menschen, die ich am liebsten um mich habe.
    Ich suchte Trost bei ihm in der Nacht, bevor ich von meinem Arzt erfahren sollte, wie es weitergeht. Ob – und wie – man mich behandeln würde. Einfach deshalb, weil Rob in grauer Vorzeit selbst einmal mit Bestrahlung, Operation und seltsamen Überraschungen konfrontiert worden ist. Ich musste so lachen, als er mir erzählte, dass er ganz blau angelaufen war von dem Kontrastmittel, das man ihm – zwischen die Zehen – gespritzt hatte.
    »Hallo, Rob, ich bin’s.«
    »Hallo, Schatz, wie geht’s dir?«
    Ich schluchze. »Ich hab Angst.«
    »Ach, Schatz. Verdammt. Natürlich hast du Angst. Ich hab doch auch Angst.«
    »Wie war das damals?«
    »Damals?«
    »Als du krank warst. Hattest du da auch Angst?«
    »Ja, natürlich. Aber meine Prognose war sehr gut.«
    »Ah.«
    »Geht’s wieder, Schatz?«
    »Nein.

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