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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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acht Jahre her. Für Emiliano hätte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, Ridge Forrester, Arnie Alberts und MacGyver hergegeben. Sogar Steven Tyler und Mick Jagger. Empfänglich und romantisch, wie ich war, konnte ich mir gar nicht vorstellen, mich je wieder von seiner Vespa trennen zu müssen. Ich kam damals gar nicht auf die Idee, dass vielleicht noch mehr Vespas herumfuhren, bei denen ich Schmetterlinge im Bauch bekommen könnte. Die Nächte, die ich mit Emiliano auf seinem schweren weißen Motorroller verbrachte, weckten meine jungen Begierden. Unter Stöhnen im Sternenschein tat sich mir ein Himmel auf. Stoff für einen Groschenroman?
    »Auf welchen Namen geht das?«, fragt die Bedienung. Ich schaue überrascht auf, ohne meine Gedanken von den Sternen zu lösen. »Oema.«
    Jochem lacht und redet dann weiter, ohne Punkt und Komma, über seine Karriere als Schauspieler, das Hinterteil der Bedienung, sein Bäuchlein. Ein schnuckeliges, aber nicht allzu willkommenes Bäuchlein, denn Jochem trägt gern hippe T-Shirts. Das Bäuchlein erscheint nur, wenn er Bier trinkt, sagt er. Das ist leider täglich der Fall, unterbrochen nur durch den einen oder anderen Gesundheitsdrink. Deswegen nenne ich ihn nicht Schätzchen, sondern Kartöffelchen.
    Jochem ist auch Model. Mit eingezogenem Bauch klappert er alle möglichen Castings ab und landet dann mit Mädchen, die sich die Haare mit Andrelon waschen, im Bad oder mit Mädchen, die Lassie-Reis kochen, in der Küche. Mit seinem hübschen Gesicht, seinem Mundwerk und seinen himmelblauen Augen schafft er es immer wieder, Bußgelder wegen Falschparkens und andere Unannehmlichkeiten abzubiegen. Er ist ein Träumer, wie ich, aber manchmal weiß er die Träume nicht mehr von seinen Strafzetteln zu unterscheiden. Für ihn ist Amsterdam wie Hollywood, wo Träume wahr werden. Verwöhnt von ein paar Modeljobs und Glückstreffern im Kasino denkt Jochem nicht im Traum daran, Kisten zu schleppen, Brötchen zu schmieren oder in irgendeinem Büro zu hocken.
    Wir schlendern die Schaufenster entlang. Die mürrischen Gesichter der gelangweilten Verkäuferinnen sind deutlich zu sehen. Vielleicht sollten sie mal an eine andere Haarfarbe denken. Oder sich Perücken zulegen. Am liebsten würde ich einer der Verkäuferinnen bei Azzuro mit starrem Blick die Visitenkarte des OLVG in die Hand drücken. Doktor L., onkologische Abteilung.

[home]
    Dienstag, 5. Juli 2005
    Mit Ärzten zu reden bringt so seine Probleme mit sich. Bis vor einem halben Jahr hatte ich ein ganz anderes Bild von einem Krankenhaus. Ich sah Kranke hineingehen und später gesund und munter wieder herauskommen. Jetzt sehe ich verlorengegangene Blutproben, von einem Anästhesisten dreimal danebengestochene Infusionsnadeln, verlegte Krankenakten, Entscheidungen, die vom Zufall abhängen. Ärzte, die jedes Mal etwas anderes sagen. Einer lauter als der andere. Das macht die Kommunikation zwischen Arzt und Patient manchmal schwierig. Nachhilfe in Ärztesprache kann daher nicht schaden.
    »Hallo, Doc, hast du schon an meiner neuesten Prognose ›Totalremission‹ herumgedoktert? Meine rechte Lunge liegt jetzt ganz an der Thoraxwand an, aber das Weichteilgewebe im Thorax anterior hat sich reduziert. Da war noch etwas in den nodulären Strukturen, aber Rippe 6 zeigt posterior Knochenkonfiguration. Das Weichteilgewebe in der Wand des seitlichen Abdomens hat sich ebenfalls reduziert. Rechts anterobasal streifenförmige Restanomalien in der Lunge.«
    Irgendwann frage ich mal, ob ich nicht meine Akte einsehen und dann bei Tee und Tabletten gemütlich mitreden kann. Da flippt sogar die Rechtschreibprüfung an meinem PC aus. Wahrscheinlich gibt es im Krankenhaus eigene Programme dafür.
     
    Ich sitze mit meinem Vater im AMC . Ein scheußliches Wartezimmer in einem scheußlichen Gebäude. Nur gut, dass ich unter Doktor L.s Obhut im OLVG bin. Während mein Vater den Kaffeeautomaten inspiziert, verfolge ich jede Bewegung der Schwester an der Anmeldung. Ist sie überhaupt Krankenschwester? Annemarie und Ploni sind es, aber die hier bedient wohl nur das Telefon. Sie ist nicht mal weiß gekleidet.
    Eine der hässlich gestrichenen Türen geht auf. Ein Arzt erscheint, mit Brille und wild über die Ohren hängenden Haaren. Er ruft einen Namen auf, und der alte Mann vor mir steht auf. Seine Frau trottet hinter ihm her.
    Wieder geht eine Tür auf, und ein jüngerer Arzt erscheint. Mitte dreißig etwa. Ob das Doktor O. ist? Er zeigt der Frau an der Anmeldung

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