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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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Jans gelbes Hemd, das ich stibitzt habe und als Beutel benutze, mit allerlei Farben aus der Tiefe. Ich finde sogar ein paar Muscheln mit einem Loch darin, eines so groß, dass ich mir die Muschel gleich an meine Halskette hänge. Jetzt schmücken zwei Muscheln meinen Hals. Eine aus den Wellen Südfrankreichs und eine aus dem Salz von Wijk aan Zee.
    Immer wenn ich ans Meer komme, nehme ich Muscheln mit. Ich lege sie in die Dusche, ans Waschbecken, oder ich stelle Teelichter hinein. Oder ich bewahre Schmuck und anderen Glitzerkram darin auf. Sofern ich sie mir nicht umhänge. Südfrankreich, Wijk aan Zee. Ich würde gern in einem Haus am Strand wohnen, wo immer Muscheln im Garten liegen.
    Rob, Jan und ich versuchen, jede Woche mehrmals an den Strand zu fahren. Heute hat es geklappt. Es weht ein starker Wind, der Oemas dunkle Haare verfilzen lässt. Ich esse einen Salat mit Ziegenkäse und Tomaten und sortiere nebenbei meine Muscheln. Rob probiert aus, in welcher Stellung er die meiste Sonne abbekommt. Jan kramt in seiner Plastiktüte voller Boulevard- und anderer Zeitungen, und sein Hund Ben belästigt die Nachbarn. Ich gehe auf die Toilette, um mit der antiken silbernen Bürste meiner verstorbenen Oma ungestört meine Perücke zu entfilzen. Die Bürste eignet sich hervorragend für Kunsthaar.
    Rob kommt angelaufen. Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und meine Tasche, in der das Handy klingelt. Es ist jemand vom
NRC Handelsblad
. Meine Texte gefallen ihm. Er spricht von Power. Und meine Perücken findet er auch interessant. »Wir müssen uns mal treffen, aber vorher schick mir noch mehr Material.«
    Begeistert lege ich auf.

[home]
    Dienstag, 6. September 2005
    Rob und ich sitzen am Küchentisch und sprechen über unsere Zukunft. Zukunft. O Gott, was für ein Wort. Wir sind sehr glücklich miteinander, aber mehr als Freunde, meinen wir, nicht so sehr als Lover. Wir befinden uns in einer seltsamen Situation, in der es nur das Heute gibt. Und heute ist Rob alles, was ich will. Aber wenn ich einmal weiterzublicken wage, weiß ich, dass aus uns nichts werden wird. Ich liebe Rob, sehr sogar, und ich fühle mich glücklich und geborgen bei ihm. Alles passt so gut. Er ist eng mit Jan und Jochem befreundet, und ich bin eng mit Jan und Jochem befreundet. Aber wir haben uns nicht hundertprozentig aufeinander eingelassen. Wir müssten eine Entscheidung treffen, meint Rob, und die schieben wir beide lieber hinaus, bis wir mehr Sicherheit haben, was meine und damit unsere Zukunft angeht.
    Ich flirte auch jetzt noch mit anderen Männern. Am liebsten mit verheirateten, schwierigen oder in weiße Kittel gekleideten Männern, wie sich immer wieder zeigt. Hauptsache, sie haben die fünfunddreißig hinter sich.
    Und ich denke nach wie vor an Jur und lebe mit ihm, obwohl er mir nie anders als freundschaftlich begegnet ist. Und auch nie mit mir geschlafen hat.
    Wenn ich an die lange Reihe meiner kurzen Beziehungen denke, fällt mir ein Wort ein: sinnlich. Ich kann ohne weiteres in mehrere Männer gleichzeitig verliebt sein. Das erklärt vielleicht die eine oder andere meiner flüchtigen Beziehungen. Oder ich habe noch nicht die wahre Liebe kennengelernt, bei der nur ein Mann zählt und mit mir schläft. Ich will immer überall dabei sein, habe Angst, etwas zu verpassen. Schon mit fünfzehn habe ich mit coolen Typen geschlafen, mit denen ich im Club de Ville gelandet war statt im Paradiso. Oder ich habe mit Dreißigjährigen im Roxy Swing statt mit Gleichaltrigen im Melkweg House getanzt. Mir fällt nur ein Grund ein, warum ich schon damals lieber mit älteren Männern geschlafen habe: Spannung. Ich hatte bald raus, was große Augen und volle Lippen bewirken können. Ein beknackter Künstler, ein besitzergreifender Perser, ein haschender Radrennfahrer, ein Ölbaron aus Delhi – sie alle stehen auf meiner Liste.
    Nach Gold graben kann ich, und das ist gut so, denn ich bin ein teures Mädchen. Ich habe eben mal ausgerechnet, was ich dieses Jahr in etwa koste. Und damit meine ich nicht meine Seidenblusen und Samtpumps. Ich meine Leukozyteninjektionen zu je eintausenddreihundertvierundvierzig Euro, Tabletten zu fünfunddreißig Euro das Stück und CT s zu achthundert Euro je Aufnahme. Davon hatte ich fünf, plus eine MRT . Dazu kommen die Klinikaufenthalte – neunhundertsiebenundsechzig Euro pro Tag. Alles zusammen ergibt das mindestens eine ganze Menge.
    Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr spricht für einen gewieften

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