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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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Nach Luxemburg, weil es dort so hässlich ist und wir uns die missglückten Deutschen aus der Nähe ansehen wollen. Ich mache gut hundert Fotos: Herbstlaub, Rob, Kuppeln, Rob, ein Ausblick, noch mehr Rob.
    Morgens verlasse ich das Hotel als Pam, nachts steige ich als Oema wieder ins Bett. Der Mann an der Rezeption begreift nicht und sieht Rob bedenklich an. Der spielt das Spiel vergnügt mit. »Where’s your other girlfriend? Haben Sie die in der Stadt gelassen?«
    Wir essen Muscheln, trinken Rotwein und streicheln auf der Straße immer dieselben Hunde. Unser Liebling ist ein Akita-Inu. Wir gehen sogar in einen Club tanzen.
    »Schau mal, die schönen Urlaubsfotos!«, rufe ich auf der Rückfahrt Robs Schwester zu. Rob und Pam beim Frühstück, Rob und Pam im Auto, Rob und Oema unterwegs, Rob und Sophie bei Tisch.
    Wir kleben aneinander. Mehr vielleicht als sonst oder mehr als andere, weil der Sensenmann hinter der Ecke lauert. Durch diese Bedrohung erlebe ich jeden Blick, jeden Scherz, jede Träne und jede Berührung intensiver.
    Festhalten, bis man nichts mehr festhalten kann. Loslassen ist so schwer.

[home]
    Sonntag, 6. November 2005
    Ich bin in Spanien bei Otto und Bebé. Bebé sehe ich zum ersten Mal überhaupt, Otto sehe ich zum ersten Mal nach langer Zeit wieder. Als Otto von meiner Krankheit erfuhr, fing er an, wie wild im Internet zu surfen und mit früheren Kollegen zu telefonieren. Er war selbst einmal Arzt.
    Otto ist ein alter Freund meiner Eltern, der in der Zeit, seit sie ihn kennen, dreimal geheiratet hat. Aller guten Dinge sind drei. Mit Bebé ist er vor fünf Jahren nach Spanien gezogen, in die Gegend von Granada. Nach jahrelanger harter Arbeit als Chirurg, plastischer Chirurg und Elektroniker hatte er genug von der Stadt.
    Auch Bebé ist zum dritten Mal verheiratet. Und auch bei ihr trifft das Sprichwort zu. Als Ex-Topmodel der Sechziger und Assistentin in der Privatklinik, die sie mit Otto zusammen leitete, hat sie ein spannendes Leben hinter sich. So spannend, dass sie die Ruhe, die sie mit Otto in Spanien gefunden hat, jeden Tag von neuem genießt. Sie führen hier ihr eigenes Leben, abgesondert von der bewohnten Welt. Das nächste Dorf ist fünf Autominuten entfernt und macht nicht viel her. Aber gerade deshalb wohnen sie gern hier, und gerade deshalb bin ich gern hier. Die Einfachheit eines Marktes, einer Dorfkneipe, einer Kirche. Die Umgebung ist wunderschön, ein tiefes Tal, Berge und in der Ferne ein Stückchen Meer.
    Zeit existiert hier nicht. Wir stehen auf, wann wir wollen, wir essen, wann wir wollen, und wir planen, was wir wollen. Eine Fahrt zum Supermarkt oder ein Tagesausflug nach Granada. Zum ersten Mal vergesse ich hier, wie meine Wochen vergehen. Welcher Tag gerade ist, weiß ich oft nicht, aber die Woche weiß ich immer. Damit ich merke, wie meine vierundfünfzig Wochen verstreichen. Ich mache meine Häkchen, und mir wird immer klarer, wie es ist, heute glücklich zu sein.
    Vielleicht habe ich deshalb solche Angst vor dem, was noch kommt. Jede Nacht muss ich vor dem Einschlafen an meine Beerdigung denken. Ich will von einer Zukunft träumen, aber es gelingt mir nicht. Und ich traue mich auch nicht. Ich denke an meinen Sarg und daran, was mein Vater sagen, was meine Mutter tragen wird. An meine Schwester, die alles tun wird, um unseren Eltern eine Stütze zu sein; ihre eigenen Bedürfnisse wird sie dabei zurückstellen. An Annabel, die einen Kuss auf meinen Sarg drücken wird. An Rob, der den Mumm hat, eine Krebskranke zu lieben. An alle, die ich liebe und die mich lieben. An Marco und Oskar, die mir vorangegangen sind.
    Dank Ottos und Bebés medizinischer Vergangenheit fühle ich mich hier vollkommen geborgen. Wir sprechen über meine Krankenakte, die ich zu jedem Arzt, dem ich begegne, mitschleppe, über meine Erfahrungen mit Ärzten, Medikamenten und schlimmen Statistiken. Sie bringen mir bei, wie ich meinen Urin auf eine Blasenentzündung untersuchen kann, indem ich in ein Glas pinkle, und sie bringen mir bei, wie ich dieser Blasenentzündung mit Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln beikommen kann.

[home]
    Dienstag, 8. November 2005
    Mit roten Wangen vom Spazierengehen lasse ich mich aufs Bett fallen. Oskar und Lance liegen neben mir auf dem Nachttisch. Oskar, der gestorben ist, und Lance, der wieder fröhlich auf dem Rad sitzt. Ich denke an Jurriaan, der wieder von Club zu Krankenhaus – er macht sein Praktikum, und er legt auf – zu Club rennt. Je mehr

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