Heute bin ich blond
ich mir ja noch gefallen, aber auf Doktor K.s Untersuchungsliege schwitzend mein Leben aushauchen, das geht mir zu weit. Immerhin bin ich ein hübsches junges Ding, das Pillen schluckt, um nicht von Ärzten schwanger zu werden.
Rob sitzt neben mir. Er schwitzt auch, aber bei ihm ist es wohl eher die Kombination von Sonne und den Wodkas von gestern. »Einfach den gelben Streifen folgen, Mevrouw.«
Rita, die beste Autofahrerin in Amsterdam und Umgebung, schließt ihr Fenster und folgt genau den gelben Streifen zur Strahlentherapie. Zum Behandlungszimmer. Zum Bestrahlungsraum. Bei mir dreht sich jetzt alles um die Bestrahlung. Das ist ein harter Kampf. Ich muss jeden Tag nach Rotterdam und zurück, sieben Wochen lang. Im Durchschnitt gut drei Stunden unterwegs für zehn Minuten Bestrahlung. Das bedeutet Quatschen mit Rita und Schlafen auf der Rückbank. Oft fahren meine Eltern mit – wenn es nach ihnen ginge, würden sie jeden Tag mitkommen –, manchmal auch einer meiner Freunde, aber allein mit Rita ist es auch schön.
Neben mir – im weißen Kittel – steht Kevin. Kevin ist gleichbleibend freundlich und einem Plausch nie abgeneigt. Ich werde sie ein bisschen ablenken und beruhigen, wird er sich gedacht haben.
Lieb gemeint, aber es funktioniert nicht. Denn
Star Wars
läuft, und ich spiele die Hauptrolle. Grüne Laserstrahlen im Wechsel mit roten Lämpchen und einem Ungetüm von der Größe einer schwangeren Seekuh bewegen sich um meinen kahlen Kopf herum. Total Sci-fi-mäßig, das Ganze. Ich liege auf einen schmalen Tisch geschnallt, ein fünfundvierzig Zentimeter breites Brett aus Holz und Metall. Mein nackter Oberkörper – Darth Vader war schon da – ist von einer durchsichtigen Plastikschale bedeckt, an der noch Schnitt- und Klebespuren zu sehen sind.
So platt auf dem Tisch liegend, ragen meine eigenen Brüste kaum über meine dritte Titte hinaus. Aber es läuft nun mal
Star Wars
. Und ich bin der Mittelpunkt. Der Star. Die Siegerin. Anakin – der siegt doch am Ende, oder?
Meine Verbündeten haken die Schale fest in den Tisch ein und wenden sich dem lärmenden Apparat zu. Dann laufen sie weg und überlassen mir den Kampf. Ich bin ja hier die Hauptfigur, ich werde die letzte Schlacht schlagen. So steht es im Drehbuch, in meiner Version zwar, aber es ist ja auch mein Film.
Ein Gebrüll ertönt: Die Seekuh ist bereit und setzt sich langsam in Bewegung. Elektronisches Stöhnen und durchsichtige Strahlen. Der Feind in mir wird versengt, aber ich strahle. Meine Arme beginnen zu schmerzen. Ich verfolge jede Bewegung des stählernen Säugetiers, das über und unter mir wütet. Mal bin ich konzentriert, mal mit geschlossenen Augen in Gedanken versunken.
Wieder draußen, im angrenzenden Warteraum, herrscht ein Kommen und Gehen von
Star-Wars
-Helden. Alle mit ihrem eigenen Drehbuch in ihrer eigenen Version. Ein kleiner Junge steht dort, acht oder neun Jahre alt. Er wirkt robust, hat aber auch etwas Rührendes an sich. Und auch etwas
Star-Wars
-mäßiges, aber das macht vielleicht sein kahler Kopf. Er will nicht mehr wiederkommen, sagt er zu einer fremden Figur im weißen Kittel.
»Der große Apparat tut weh«, sagt er mit seiner hohen Jungenstimme.
Ich sehe ihn an, und meine Augen werden feucht. Wenn ich ihm nur sagen könnte, dass es ein Film ist, der in diesem Keller läuft. Dass wir uns mitten auf dem Set von
Star Wars
befinden. Dass sich unter dem weißen Kittel Obi-Wan Kenobi verbirgt und dass die »Guten« immer siegen. Und vor allem, dass er siegen wird, dass er bald wieder mit seinen Freunden spielen kann. Aber das ist nur mein Film. Und darin bin ich die Akteurin. Ich spüre ein heftiges Verlangen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber ich weiß nicht, wie. Da wird er aufgerufen. Jeder von uns verschwindet hinter einer anderen Tür.
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Montag, 29. August 2005
Ich laufe über den Strand. Der nasse Sand klebt zwischen meinen Zehen. Es ist ein Spiel zwischen Meer und Sand; das kühle Wasser spült meine Füße sauber, die aber immer wieder ein neues Stückchen Strand finden und ihn mit sich forttragen. Ich spaziere von rechts nach links, von Osten nach Westen, wie ich glaube, aber das kann nicht sein, denn links von mir tauchen die Hochöfen von IJ muiden auf. Weiter vorn läuft Jans Hund Ben fröhlich hin und her, immer Robs Tennisball nach. Ich bin anderweitig beschäftigt, mit Muschelsuchen. Voller Enthusiasmus bücke ich mich jedes Mal, wenn sich das Wasser zurückzieht, und fülle
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