Heute morgen und fuer immer - Roman
Männer aus dem Vorstand.
Eigentlich ging alles sehr schnell. Abwechselnd wurden mir Fragen gestellt, die ich ehrlich beantwortete. Das Gremium machte sich Notizen, bat mich schließlich draußen zu warten, weil sie sich beraten mussten. Ich konnte so gar nicht abschätzen, wie es gelaufen war. Wie in Trance hatte ich gesprochen und konnte mich kaum an die letzte halbe Stunde erinnern.
Nach einer weiteren Dreiviertelstunde, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, holte mich Frau Knaupp wieder ab und bat mich, vor Professor Bruckners Lehrzimmer zu warten, was ich brav befolgte.
Den Weg zu Professor Bruckners Lehrzimmer war ich so oft gegangen, dass ich ihn blind gefunden hätte, aber noch nie war ich so nervös gewesen, ihn zu gehen, nicht einmal, als ich die Examensergebnisse abgeholt hatte.
Nach ein paar Minuten ging Professor Bruckner an mir vorbei in sein Zimmer, ohne etwas zu sagen. Nach ein paar weiteren Minuten forderte Frau Knaupp mich auf, einzutreten.
Langsamer als sonst trat ich ein und schaute nervös Professor Bruckner an, der an seinem Schreibtisch Noten skizzierte. Als er aufblickte, lächelte er freundlich wie immer.
»Setz dich, Clara, magst du etwas trinken?«
Ich schüttelte den Kopf, im Moment bekam ich überhaupt nichts runter, nicht einmal die Luft, die ich aufgeregt und viel zu schnell einatmete. Er bat mich auf dem Sofa Platz zu nehmen und setzte sich in den Sessel gegenüber.
»Wie geht's dir denn?«, fragte er väterlich und sah mich besorgt an.
Anstatt zu antworten, schluchzte ich los. Ich hielt den Druck nicht mehr aus. Professor Bruckner blieb ruhig und sagte einfach nur: »Das war eindeutig zu viel auf einmal für dich, das ist ja fast schon zu viel für ein ganzes Leben. Kein Wunder, dass du so gehandelt hast, ich wusste, es würde eine Erklärung geben. Dein Brief klärte bereits einige Fragen, und eben haben wir alle zusätzlichen Informationen von dir erhalten. Ich bin froh, dass sich langsam alles wieder einrenkt und deine Hand geheilt wird. Was machen wir denn jetzt mit dir?«, brummelte er vor sich hin, was meine Anspannung deutlich vergrößerte. Er ließ mich zappeln, und das ziemlich lange. Dann blickte er mich ernst an. »Auch wenn deine Gründe nachvollziehbar sind und du es nicht leicht hast, rechtfertigt das nicht dein Verhalten. So ein Verhalten können und wollen wir nicht am Konservatorium dulden, das ist einfach keine Vorbildfunktion für unsere Studenten.« Professor Bruckner hielt inne und sah mich eindringlich an. Mir war speiübel, mein Herz klopfte wie verrückt. »Wir haben wegen dir mehrmals zusammengesessen und überlegt, was wir mit dir machen. Nach langer Überlegung haben wir entschieden, dir eine zweite Chance zu geben, allerdings auf Probe. Wir geben dir nicht gleich eine Festanstellung, sondern einen Halbjahresvertrag, den wir auslaufen lassen können, solltest du dich erneut danebenbenehmen. Professor Wiese möchte außerdem, dass du als Strafe nicht nur die Meisterschüler, sondern auch zwei Erstsemester-Studenten unterrichtest, um guten Willen zu demonstrieren. Nimmst du die Chance zu den Bedingungen an?«
Hatte ich mich auch wirklich nicht verhört?
»Nichts lieber als das! Also wollen sie mich noch immer? Was hat denn den Ausschlag gegeben?«, rief ich überrascht.
Anscheinend hatten die Gründe geholfen, die ich bereits in meinem Brief und bei meinem Besuch bei Professor Wiese vorgebracht hatte, um Gnade vor Recht walten zu lassen, ausschlaggebend war aber die Tatsache, dass keiner Amelies Vorgehen mochte, das ziemlich durchschaubar gewesen war; selbst Frau Professor Wiese war enttäuscht und hatte Amelies Verhalten nicht für gut befunden. Ihre Argumentation war laut Professor Bruckner die, dass ich zwar nicht einwandfrei gehandelt hätte, aber mit dem besseren Motiv, denn Amelies Motiv sei eindeutig gewesen, mir zu schaden, um an die Stelle zu kommen, und das wollte sie nicht gutheißen.
»Und wieso haben Sie sich nicht einfach für jemand anderen entschieden? Es gab doch auch andere gute Kandidaten!«, fragte ich interessiert nach. »Gut, aber nicht außergewöhnlich. Wir stehen im Ruf, die besten Dozenten anzuziehen, und da reicht gut leider nicht«, schmunzelte Professor Bruckner.
Mir fiel eine Last von den Schultern, der Druck der letzten Zeit, nicht zu wissen, wie das Gremium entscheiden würde, war unerträglich geworden. Jetzt konnte ich unterrichten und gleichzeitig helfen, das Waldhaus zu managen. All die Ideen, die wir im Begriff
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