Heute morgen und fuer immer - Roman
waren umzusetzen, wollte ich begleiten. Außerdem war es höchste Zeit, Omi endlich zu entlasten. Und das war mit der Stelle alles machbar. Die wöchentliche Stundenzahl von zwanzig Stunden war gut zu schaffen. In den Semesterferien musste ich ja nicht unterrichten, und das waren genau die Zeiten, in denen das Waldhaus mich mehr brauchte, im Sommer und in den Winterferien. Jetzt, wo Helene bereit war mitzuarbeiten, würden wir das problemlos hinbekommen. Und wer hatte sich für mich eingesetzt? Mein geliebter Professor Bruckner!
»Ich bin Ihnen so dankbar, für alles, was Sie schon immer für mich getan haben, und jetzt geben Sie mir auch noch eine zweite Chance! Wie soll ich mich je dafür revanchieren?«
Professor Bruckner bemerkte meine Rührung und die Tränen, die in meine Augen stiegen.
»Weißt du, ich finde es bemerkenswert, dass du trotz deines Schicksals nie vom Weg abgekommen bist. Du hättest mehr als einmal Gelegenheit gehabt, zu straucheln und alles hinzuschmeißen, stattdessen bist du alleine unbeirrt weitergegangen und bist dabei immer freundlich und fröhlich geblieben, ohne Bitterkeit, obwohl ich mir vorstellen kann, wie schwer das für dich sein musste. Die Annahme am Konservatorium ohne deine Eltern zu schaffen, nicht mit ihnen feiern zu können, als du die Meisterprüfung mit Bravour bestanden hast. Ich weiß, wie du vor deinem ersten Konzert, das du gegeben hast, mir vorher sagtest, dass du in Gedanken nur für die beiden spielst. Ich finde, du hast mir genug gedankt! Und jetzt nutze deine zweite Chance und beweise den anderen, dass du genauso so bist, wie ich dich schon lang kenne«, sagte er, lächelte und drückte herzlich meine Hand.
»Wissen Sie, die Musik, die Hochschule und Sie haben mir aber auch den nötigen Halt gegeben«, flüsterte ich mit Kloß im Hals.
»Und genau deshalb wünschen wir uns, dass du das an die nächste Generation weitergibst, die von deiner Erfahrung und Begleitung profitieren wird.«
Wortlos drückte auch ich seine Hand und war einfach froh, jemanden wie ihn an meiner Seite zu wissen. Langsam stand ich auf, um zu gehen.
»Vergiss deinen Vertrag nicht, Clara, und lass eine unterschriebene Version bitte bei Frau Knaupp.«
Liebend gern! Schwungvoll setzte ich im Vorzimmer Clara Herbst unter die leere Zeile und war damit offiziell Dozentin des Richter Konservatoriums für Musik und Künste in München. Welche Ehre! Stolz überreichte ich Frau Knaupp den Vertrag. Wie erleichtert wohl Helene und Omi sein würden! Aber vor allem Amelie und Jutta würden Augen machen, wenn sie erfuhren, dass all ihre List und Tücke vergebens gewesen waren.
Am Ausgang stand Valentin, der auf mich gewartet haben musste, und sah mich erwartungsvoll an. »Und?«
Als Antwort nickte ich und fiel einem erleichterten Valentin überglücklich in die Arme. Gemeinsam fuhren wir zum Waldhaus.
Als ich die Tür zu unserem Privatteil des Waldhauses aufschloss, war es verdächtig still. Ich ging in die Küche, wo meine Lieben nervös warteten und mich erwartungsvoll ansahen.
»Vor euch steht Frau Dozentin Herbst des Leonard Richter Konservatoriums zu München! Das Gremium hat sich entschieden, mir eine zweite Chance zu geben!«, rief ich voller Freude, was alle in Jubel ausbrechen ließ. Omi, die wir erst gestern aufgeklärt hatten, um ihre Nerven zu schonen, hielt sich beide Hände vors Gesicht und schickte ein erleichtertes »Gott sei Dank!« gen Himmel, Helene umarmte mich und tanzte auf und ab, Hubertus schüttelte mir mit beiden Händen gleichzeitig viel zu schnell die Hand. Das kam bei seinem Naturell beinahe einem Vulkanausbruch gleich. Luisa strahlte um die Wette und herzte alle, besonders ausgiebig Valentin, der das amüsiert über sich ergehen ließ. Stolz zog er mich an sich: »Wenn es jemand verdient, dann du!«
Da waren sie wieder, seine starken Arme, der Sandelholzduft und die tiefe Stimme, die so sexy in meinen Ohren klang. Von mir aus hätten wir auch einfach genau so stehen bleiben können. Anscheinend war es ziemlich lange, zumindest räusperte Helene sich deutlich, um mir ein Zeichen zu geben, dass es für alle anderen langsam peinlich wurde. Zeit, um meine nächsten Neuigkeiten loszuwerden.
»Das eben war noch nicht alles. Ich habe eine weitere Entscheidung getroffen, die so nicht vorherzusehen war. Als mir vorhin die zweite Chance gewährt wurde und die Erleichterung sich breitmachte, fiel mir plötzlich auf, wie sehr ihr und die Arbeit im Waldhaus mir fehlen würdet.
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