Heute morgen und fuer immer - Roman
kaltes Wasser über mein Gesicht laufen. Langsam fühlte ich mich wieder geerdet, und das Liebesspiel mit Valentin erschien mir so unwirklich, als ob es nicht geschehen wäre.
So, Clara, du gehst jetzt da runter, bringst den Abend hinter dich, und morgen machst du sofort mit Jasper Schluss, ohne jemals zu sagen, weshalb! Du wirst diese Familie einfach nie wieder sehen und dir selbst beim Gericht eine Bannmeile von fünfhundert Metern auferlegen lassen! Du hast ein dunkles Geheimnis, das es zu hüten gilt!
Verkrampft ging ich in den hellen Trubel mit meinem Pashmina um den Schultern. Zum Glück schien mich niemand vermisst zu haben! Jutta hatte Evi, die in der Münchner Künstlerszene bestens vernetzt war, in Beschlag genommen, anscheinend in der Hoffnung, von ihren Beziehungen profitieren zu können. Jasper war bereits mehr als betrunken und spielte mit Maxi, der heute länger aufbleiben durfte, Autoquartett. Durch den Alkoholpegel verlangsamt, winkte er mir lächelnd zu. Frau Seliger ging mit einem Tablett voller Schnäpse herum. Ich hasste Schnaps, aber wenn mich etwas verlässlich ausknocken konnte, dann eben solcher. Ohne zu zögern, kippte ich zwei Marille und eine Pflaume, während ich dachte, meine Speiseröhre würde verbrennen. Aber die Rechnung ging auf, innerhalb weniger Minuten fühlte ich nichts mehr, und falls Alexander das Zeug selbst gepanscht hatte, war ich morgen bestimmt blind!
Kapitel 13
Hiobs Nachfolgerin -
Ich will zurück in die Narkose
»So, und jetzt denken Sie mal an was ganz Schönes, Frau Herbst. An Ihren Freund vielleicht?« Dr. Nagl, die Anästhesistin, strich mir beruhigend über den Kopf.
Hallo? Ich sollte mich doch entspannen und nicht aufregen. Gut, wie sollte Frau Nagl mit der esoterischen sanften Stimme auch ahnen, dass auf ihrem OP-Tisch ein moralisch fragwürdiges Subjekt namens Clara Herbst lag, das sich mit dem Bruder ihres baldigen Exfreunds eingelassen hatte? Eigentlich wollte ich gleich am nächsten Tag diesen Vorhof der Hölle beenden, aber ich hatte mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich ins Koma getrunken. Natürlich war es nicht bei den drei Schnäpsen geblieben; bis sich so ein schlechtes Gewissen nicht mehr meldet, braucht man die doppelte Menge, wie ich schmerzvoll im Selbstversuch erforscht hatte. Den nächsten Tag verbrachte ich, so weit meine Erinnerung es zuließ, im Dunkeln mit einem kalten Waschlappen auf der Stirn und einem Eimer neben meinem Bett, den Omi netterweise jede Stunde leerte. Ich war zu nichts in der Lage, vor allem aber konnte ich nicht reden, jedes Wort, das aus meinem Mund kam, musste ich flüstern, jede Bewegung schmerzte. Valentins und Jaspers abwechselnde Anrufe ignorierte ich, indem ich das Handy auf lautlos stellte. Den Tag überstand ich mehr oder weniger im Dämmerzustand, und am nächsten Tag, als ich bereit war, mit Jasper endlich reinen Tisch zu machen, musste er zu einem Kunden nach Hamburg. Seither hatten wir nur telefoniert, am Telefon Schluss zu machen ging leider nur, solange man siebzehn war, also musste ich warten, bis er wieder in München war. Ausgerechnet zu meinem OP-Termin wollte Jasper es zurückschaffen, um an meinem Bett zu sein, wenn ich aufwachte. Ob ich Dr. Nagl bitten sollte, meine Narkose um eine Woche zu verlängern? Wer wusste, was meine ersten Worte in völlig benebeltem Zustand sein würden? »Dein Bruder ist 'ne Granate im Bett!« vielleicht?
»Zählen Sie bitte langsam bis zehn!«
Dr. Nagl besaß eine so beruhigende Stimme, dass ich es gerade mal schaffte, bis vier zu zählen, dann war ich weg.
Als ich im Aufwachraum wieder zu mir kam, plagten mich vor allem Kopfweh und Durst. Helene saß neben mir, hielt meine nicht operierte Hand und war ganz gerührt, als ich die Augen aufschlug.
»Also, gerade von dir hätte ich eine professionellere Reaktion erwartet«, sagte ich, wobei ich jedes einzelne Wort extrem in die Länge zog. »Du hast doch immer von einem Routineeingriff gesprochen, und jetzt schaust du, als ob sie mich reanimiert hätten!«, versuchte ich einen Witz, um zu zeigen, dass mein Hirn alles gut überstanden hatte.
Helene lachte erleichtert auf.
Sofort fragte ich nach Jasper.
»Er ist auf dem Weg und wird dich gegen Abend besuchen kommen. Wie fühlst du dich?«
Ich klagte über Kopfschmerzen. Helene besorgte mir ein Schmerzmittel, das mich schnell wieder schläfrig werden und wegdämmern ließ. Als ich das nächste Mal zu mir kam, lag ich bereits nicht mehr im Aufwachraum, sondern
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