Heute morgen und fuer immer - Roman

in einem Krankenzimmer. Helene saß immer noch an meinem Bett, bemerkte ich mit halbgeschlossenen Augen. Dankbar griff ich ihre Hand und spürte, dass diese plötzlich sehr viel dünner und zierlicher war und vor allem nicht zurückdrückte. Verwirrt öffnete ich die Augen und dachte im ersten Moment unter Nachwirkungen der Narkose zu leiden. Vor mir saß lächelnd und sehr zufrieden niemand anderes als Amelie Fischer! Mich traf der Schlag, was man mir wohl ansah. Ertappt saß ich in der Falle und sah keine Möglichkeit zu fliehen.
    »Überraschung! Ja, ich bin es wirklich, wollte mich doch selbst überzeugen, wie es dir geht und ob was dran ist, dass du dich an der Hand operieren lassen musstest!«
    Plötzlich war ich hellwach. Woher wusste Amelie Bescheid, wer hatte sie an mein Bett gelassen, und wo bitte war Helene? Ob es daran lag, dass Amelie mich seit meiner Kindheit kannte und in meinen Augen lesen konnte wie in einem offenen Buch, oder warum antwortete sie jetzt auf jede einzelne dieser ungestellten Fragen?
    »Falls du deine Schwester suchst, die besorgt dir Sachen aus dem Krankenhauskiosk, und nein, der Trampel hat mich nicht an dein Bett gelassen, sie taugt nur nicht sonderlich als Wachhund. Woher ich überhaupt weiß, dass du hier bist? Ja, da gibt es Zufälle, die man nicht für möglich halten sollte. Du erinnerst dich vielleicht an deine Konzertproben und wie du mit Evi über deine Probleme mit der Hand sprachst? Maria bekam das ja mit und erzählte mir davon. Wie es der Zufall will, ist der beste Freund meines Verlobten dein Chirurg und Leiter dieser Klinik, die beiden waren auf dem Internat in einem Zimmer, und ich schätze, gemeinsame Aufnahmerituale zu überstehen verbindet einfach. So etwas gibt es in deinem sozialen Umfeld natürlich nicht, aber glaube mir, das ist so!« Amelie genoss den Umstand, die Oberhand zu haben, hier zu sitzen und meine Schwäche, gefesselt an ein Bett, schamlos ausnutzen zu können. Genüsslich und ohne Eile fuhr sie fort, während sie ihren funkelnden Verlobungsring demonstrativ hin und her drehte.
    »Aus reiner Sorge natürlich rief ich damals Professor Eichmüller an, erzählte von den Symptomen und fragte ihn, was das sein könnte. Er nahm das sehr ernst, tippte auf ein Karpaltunnelsyndrom und dachte, es ginge dabei um mich. Natürlich konnte ich ihn beruhigen und sagte, es drehe sich um eine liebe Kollegin.
    Am Wochenende waren wir gemeinsam beim Eisstockschießen bei seinen Eltern, die wohnen herrlich auf dem Land mit eigenen Seen, und da erwähnte Eichmüller, dass er kürzlich an mich denken musste, weil er gerade einen Fall habe mit den gleichen Symptomen, die ich ihm geschildert hatte, und er hoffe, dass das alles wieder in Ordnung komme, weil der Fall auch hauptberuflich in der Musikbranche tätig sei. Er nannte keine Namen, schließlich ist er seriös, aber ein paar diskrete Nachforschungen haben schnell ergeben, dass du es bist, und der Rest war ein Kinderspiel.«
    Amelie hatte noch einen Trumpf im Ärmel, so gut kannte ich sie, und den hielt sie bis zum Schluss zurück.
    »Du kannst dir vorstellen, dass ich besorgt bin, ob das alles so klappt mit deiner Genesung und dem Druck der neuen Stelle, vor allem, ob du auch vollkommen wiederhergestellt wirst, um die Konzerte zu bestreiten. Langer Rede kurzer Sinn, ich habe mich im Vertrauen an Professor Wiese gewandt, die meine Sorge teilt und sich natürlich auch fragt, weshalb du vor dem Ausschuss nichts davon erwähnt hast? Das ist, ich will nicht sagen eine Integritätsfrage, aber ich denke, allein zu deinem eigenen Schutz und auch für die Vertrauensbasis wird das Gremium neu zusammenkommen und noch mal über die Besetzung der Stelle tagen. Wahrscheinlich hast du das Schreiben bereits im Briefkasten, aber ich dachte, es ist immer besser, so etwas persönlich zu erfahren.«
    Tausend Gedanken schossen mir auf einmal durch den Kopf! Stimmte das, was Amelie sagte? Was, wenn ja - hieß das, dass ich meinen Job los war? Wie viele Jahre gab es auf Totschlag im Affekt, oder konnte ich ihr unbemerkt Luft spritzen? An Spritzen kam man hier einfach ran. Teilweise war ich noch sediert, aber gleichzeitig konnte ich die Tragweite durchaus begreifen. Wenn es stimmte, was Amelie sagte, war ich mit einem Schlag arbeitslos, auf die Schnelle würde ich kein Konzert bekommen, die wurden bereits ein bis zwei Jahre im Voraus geplant. Ich sah mich selbst gedruckte Zettel im Rewe aushängen - »Gebe Klavierstunden für Einsteiger und