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Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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haben, damit es weitergeht.«
    So sehr hatte ich Hubertus noch nie in Rage erlebt. Es rührte mich, weil es zeigte, wie sehr er sich mit dem Waldhaus identifizierte. Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach drücken und ihm einen Kuss auf die Wange geben, was ihn ziemlich unvorbereitet traf und vollkommen erröten ließ. Am Ende hatte ich doch Omis Gene geerbt und einen Hang dazu, Angestellte zu belästigen.
    Ein großes Willkommensschild mit Luftballons hing am Eingang, Luisa hatte zur Feier des Tages Omis Lieblingskuchen, eine Apfeltarte, gebacken und frische Bourbonvanillesahne dazu geschlagen. Eine gute Stunde später hörten wir Helenes alten Golf vorfahren und stellten uns als Begrüßungskomitee hinter der Tür auf. Was für ein Hallo das war, und gut sah Omi aus, wirklich erholt! Entweder hatte ihr die Kur oder der Kurschatten sehr gutgetan.
    »Also die Kur war toll, aber ich bin schon sehr froh, wieder hier zu sein. Sie haben zwar gesagt, zwei Wochen seien viel zu kurz, aber akut ist ja nichts, da kann ich mich auch hier weiter erholen, wo ihr doch alles so toll im Griff habt. Und wenn ich Hubertus sehe, geht es mir doch gleich wieder besser!« Sie lächelte erfreut und kniff ihn in die Wange. Zweimal innerhalb einer Stunde vom Arbeitgeber sexuell belästigt zu werden. Wäre bei einem amerikanischen Konzern, was eine Klage anging, der Jackpot gewesen, bei uns im Waldhaus hingegen wurde Hubertus einfach kurz rot.
    Omi setzte sich an den gedeckten Kaffeetisch und kam aus dem Staunen überhaupt nicht raus, welche Pläne wir mit dem Waldhaus vorbereitet hatten. Begeistert, schlichtweg begeistert war sie, bis ihr einfiel, was das alles kosten musste.
    »Mach dir keine Sorgen, wir können uns das leisten! Und nur dass du es weißt, du hast die letzten Jahre das Waldhaus sehr wohl profitabel geführt«, setzte ich vorsichtig an.
    Omi sah mich verständnislos an und schaute immer ungläubiger, als ich die Seliger-Geschichte auspackte und erläuterte, wie sich unsere finanzielle Lage auf einen Schlag geändert hatte. Zwischen Entsetzen und Freude konnte sie es nicht fassen, war aber zum Glück nicht sehr aufgeregt, sondern eher erleichtert, wenngleich natürlich auch bitter enttäuscht von Frau Seliger.
    »Man sollte einer Frau einfach nicht trauen, die zwei Beschriftungsmaschinen besitzt und diese für alles, was ihr gehört, benutzt und mit ihrem Namen versieht. Das hat sie sogar mit ihren Jogurts und Bleistiften praktiziert!«
    Wir mussten alle laut lachen, Valentin schaute dabei zu mir rüber, und mit einem Mal kribbelte es wieder wie verrückt in meiner Magengegend. Von meinem unfreiwilligen Zusammentreffen mit Jutta und Amelie hatte ich nichts erzählt, und Jutta, wie mir schien, auch nicht, sonst hätte Valentin mich darauf angesprochen. Zu gern würde ich wissen, was Valentin davon hielt, dass Jutta abends anscheinend allein und wie wild feierte. Mir sollte es recht sein, desto weniger Zeit hatten sie, in trauter Zweisamkeit zu verbringen. Und wenn Jutta angeschwipst spät nach Hause kam, schlief Valentin bestimmt schon.
    Die Willkommensfeier für Omi tat uns allen gut, aber wir waren wohl auch erschöpft von den Ereignissen, denn schon bald verabschiedeten sich die ersten. Als die letzten gegangen waren und Ruhe einkehrte, ging ich zu meinem Flügel und setzte mich auf den mit schwarzem Leder überzogenen breiten Schemel. Langsam klappte ich den dunkel glänzenden Deckel nach oben, der ein leichtes Ächzen von sich gab. Vor mir lagen sie, die schwarzen und weißen Tasten aus Elfenbein, ein Anblick, den ich nur zu gut kannte und der ein Gefühl von Vertrautheit und Vorfreude ausströmte. Aus Rücksicht auf die anderen öffnete ich den Deckel zum Klangkörper nur halb, so klangen die Töne leiser. Das war der Moment, auf den ich mit gemischten Gefühlen gewartet hatte. Einerseits ungeduldig, weil mir das Spielen so fehlte, andererseits voller Angst, wie es sich anfühlen würde und wie meine Hand spielen konnte. Vorsichtig, beinahe zart stimmte ich das Regentropfen-Prelude von Chopin an. Die linke Hand war aus der Übung, und ich spürte ein leichtes Ziehen, aber ich hatte wieder Gefühl in der Hand. Jeder Finger ließ sich führen, beugen und strecken. Die Fingerkuppen nahmen jede Nuance der Tasten wahr, wie zu der Zeit, bevor ich am Karpaltunnelsyndrom erkrankt war. Ohne mich dagegen wehren zu können, liefen mir Tränen die Wangen hinunter, während ich den Tönen von Chopins einfacher, aber

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