Heute schon geträumt
das weiß ich deshalb so genau, weil Oma unbedingt einen Brandy haben wollte und ich darauf sagte, ich würde auch einen nehmen, aber erst nachdem ich auf der Toilette war.«
»Bea, hat diese Geschichte auch ein Ende?«, frage ich ungeduldig.
»Oh, aber natürlich.« Sie nickt. »Denn auf dem Weg zu besagter Toilette musste ich an der Rezeption vorbei, und dabei bin ich ihm begegnet.«
»Julian?«
»Genau. Er kam aus dem Aufzug, und wir sind praktisch zusammengestoßen. Er hat sich sofort entschuldigt, aber da war noch etwas anderes.«
»Was denn?« Ich fühle mich wie eine Detektivin im Fernsehen.
»Er hat seinen Zimmerschlüssel fallen lassen.«
»Seinen Zimmerschlüssel?«
Meine Brust wird eng, während Vanessas Stimme in meinen Ohren widerhallt. »Ich glaube, Julian hat eine Affäre.«
Nein, es muss eine logische Erklärung dafür geben.Vielleicht fand der Termin in einem der Zimmer statt. So muss es gewesen sein. Ich meine, immerhin war ich ja auch in Larry Goldsteins Zimmer, oder nicht?
»Hmhm.« Beatrice nickt. »Das weiß ich deshalb so genau, weil ich ihn aufgehoben habe. Und ehrlich gesagt war es kein Schlüssel zu einem gewöhnlichen Zimmer, sondern« - sie senkt die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern - »der für die Oliver-Messel-Suite.«
Ich sehe sie ausdruckslos an. »Was ist das?«
»Eine der romantischsten Suiten im Dorchester«, erklärt sie. »Marlene Dietrichs Lieblingssuite. Das hat Oma mir erzählt. Die beiden waren eng befreundet.«
Okay, dann fand das Meeting eben in der romantischsten Suite des Hotels statt. Möglich ist schließlich alles.
»Und um welche Uhrzeit, sagtest du, war das noch mal?«
»Ich sagte gar nichts.Aber ich schätze, es muss gegen zehn gewesen sein. Eher sogar noch später.«
Eher nicht. Ein Geschäftstermin, der bis nach zehn Uhr abends dauert? An einem Sonntagabend, nachdem er Vanessa erzählt hatte, er müsse ins Büro?
Mir dreht sich der Magen um. Plötzlich fallen mir die Kondome in seinem Einkaufskorb im Drogeriemarkt und Vanessas Geständnis wieder ein, sie hätten seit einer halben Ewigkeit keinen Sex mehr gehabt. Ich muss zugeben, die Beweislast gegen ihn ist geradezu erdrückend.
»Los, raus damit.« Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Beatrice, die mich mit neugierig geweiteten Augen ansieht. »Wieso all diese Fragen? Hat deine Freundin Vanessa dir etwa nicht erzählt, dass sie dort übernachten?«
»Nein … nein, hat sie nicht.« Ich schüttle den Kopf. »Sie muss es vergessen haben.Vanessa ist schrecklich in diesen Dingen.« Ich zwinge mich, Ruhe zu bewahren. »Wo wir gerade beim Thema Dorchester sind. Hat Larry Goldstein angerufen?«, wechsle ich das Thema.
»Gleich als Erstes heute früh«, antwortet Beatrice nickend. »Du triffst dich um zwölf in einem Nagelstudio in Notting Hill mit ihm.« Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu. »Um elf hat er einen Termin zur Maniküre«, erklärt sie. »Das muss so ein L.-A.-Ding sein.«
»Vielleicht liegt es auch daran, dass er Chirurg ist … Du weißt schon, weil er anderen Leuten die Finger in den Mund steckt und so.« Zumindest hoffe ich, dass das der Grund ist. Die Vorstellung, er könnte sich aus irgendeinem anderen Grund die Nägel machen lassen, finde ich ziemlich gruselig.
»Oh, daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Sie strahlt. »Und ich habe mich glatt gefragt, welche Nagellackfarbe er sich aussuchen könnte - ob er der Typ für Knallrot oder eher French Manicure ist.« Sie kichert, reißt sich aber sofort zusammen. »Jedenfalls sollst du ihn bei der Besichtigung des neuen Objekts für seine Praxisräume begleiten.«
Ich horche auf. »Oh, dann hat er also eine Entscheidung getroffen?«
»Ja, und er wollte unbedingt, dass du deinen Segen dazu gibst.«
»Wirklich?«, frage ich erfreut. Zumindest eine Sache scheint zu klappen. »Wo genau ist es denn?«
»Das wollte er nicht verraten. Er meinte, es soll eine Überraschung werden.« Beatrice schlingt sich die Arme um den Oberkörper. »Meine Güte, wie toll. Ich liebe Überraschungen, du nicht auch?«
Wie war das noch mit den Überraschungen?, denke ich beklommen. Zuerst Julian, dann das?
Trotzdem muss ich positiv denken, ermahne ich mich. Es wird sich alles zum Guten wenden. Und nicht nur zum Guten - es wird ganz wunderbar. Ich sehe Beatrice an und lächle breit. »Definitiv.«
Kapitel 32
Als ich eintreffe, werden Larrys Nagelhäutchen gerade entfernt.
»Hey, wie läuft’s?« Er strahlt mich an und
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