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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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entblößt dabei sein neonweißes Gebiss, als ich das supertrendy Nagelstudio mit all den Damen betrete, die sich »zum Lunch treffen« und sonst nicht viel zu tun haben. Er liegt auf einem Massagesessel, während sich zwei Schönheitsexpertinnen in weißer Kluft seines Wohlergehens annehmen. Eine ist mit seinen Nägeln beschäftigt, wohingegen die zweite seine nackten Füße massiert.
    »Hi. Prima, vielen Dank.« Unsicher bleibe ich neben einem Regal mit Nagellackfläschchen stehen und sehe mich nach einer Sitzgelegenheit um. Ein Nagelstudio ist ein recht ungewöhnlicher Ort für einen PR-Termin, andererseits ist Larry Goldstein auch kein gewöhnlicher Kunde.
    »Kommen Sie ruhig herüber. Darf ich Ihnen Andrea und Carla vorstellen«, trompetet er über das Stimmengewirr und das Klappern von Cappuccinotassen hinweg.
    Ich schlängle mich zwischen den Massagestühlen hindurch, sorgsam darauf bedacht, meine eigenen Nägel zu verbergen, weil ich selbst eine Auffrischung dringend nötig hätte.
    »Das ist Charlene, mein PR-Guru«, erklärt Larry Goldstein mit einer Handbewegung in meine Richtung.
    Die beiden Damen blicken kurz auf und lächeln. »Hey«, flöten sie wie aus einem Munde, ehe sie sich wieder Larrys Nagelhäutchen und Füßen zuwenden.
    »Eigentlich heiße ich ja Charlotte«, korrigiere ich ihn lächelnd.
    »Wie auch immer.« Er lacht. »Ist doch sowieso alles dasselbe.«
    Eigentlich nicht, nein. Es ist nicht dasselbe.Wie fänden Sie es, wenn ich Sie Leslie oder Lenny nennen würde? Oder Leo?, würde ich ihn am liebsten fragen, aber natürlich verkneife ich es mir. Stattdessen bleibe ich völlig ruhig und sorge dafür, dass mein professionelles Lächeln wie festzementiert auf meinem Gesicht ist. Dieser Termin ist wahnsinnig wichtig für mich. Larry Goldstein ist ein Kunde. Und vor mir liegt eine erfolgreiche Woche, schon vergessen?
    »Wie ich höre, haben Sie eine Entscheidung im Hinblick auf Ihre Praxisräume getroffen?«, sage ich lächelnd. Höchste Zeit, sich dem eigentlichen Grund für mein Kommen zuzuwenden.
    »Andrea, Schätzchen, könnten Sie vielleicht an meinem linken Fuß eine Spur kräftiger vorgehen? Ja, genau, so ist es gut.« Befriedigt sieht er zu mir hoch. »Entschuldigen Sie.«
    »Schon gut.« Noch immer lächle ich. »Also, die neuen Räume …«
    »Wussten Sie eigentlich, dass wir solche Druckpunkte an den Fußsohlen haben? Es hat etwas mit den Meridianbahnen zu tun.Wie in der Akupunktur. Damit lässt sich das Chi wieder in Fluss bringen.«
    »Äh, ja, das wusste ich«, antworte ich knapp. »Darauf basiert das Konzept der Reflexzonenmassage.«
    »Sehen Sie, sie hat nicht nur ein hübsches Gesicht«, erklärt er einer seiner Schönheitsexpertinnen, die zu mir aufsieht und höflich lacht.
    »Aber um wieder auf die neuen Räume zu kommen …«  Zum dritten Mal.
    »Klarer Lack oder nur polieren?«, erkundigt sich Carla.
    Ich balle diskret die Fäuste.
    »Keine Ahnung. Was meinen Sie, Charlene?« Larry löst den Blick von seinen Nägeln und sieht mich fragend an. »Klarlack oder poliert?«
    Okay, das reicht, ich geb’s auf. Es ist unmöglich, hier drin eine geschäftliche Unterhaltung zu führen. »Poliert«, antworte ich knapp.
    Er runzelt die Stirn. »Meinen Sie?«, fragt er und mustert wieder seine Nägel.
    »Dann eben Klarlack«, kontere ich.
    »Nein, ich glaube, Sie haben Recht. Polieren Sie sie«, sagt er nach einer Minute des Überlegens. »Wie Sie sehen, halte ich mich immer an die Ratschläge meines PR-Gurus. Sie weiß am besten, was das Richtige ist.« Er streckt Carla seine Hand hin, die geduldig wartet und nun nach dem Polierkissen greift. »Und bevor wir anfangen, könnten wir diesen Massagestuhl von ›Vibrieren‹ auf ›Pulsieren‹ umstellen?«
    Ich beobachte Carla, wie sie an den Knöpfen herumfummelt.
    »Hier gibt es auch Kräutertees«, erklärt er mit einem beiläufigen Blick in meine Richtung, als würde ich nicht hier sitzen und auf ihn warten, sondern müsse lediglich die Zeit totschlagen. »Sie sollten sich einen bringen lassen.« Er setzt sich auf seinem Stuhl zurück, rutscht ein wenig hin und her, bis er eine bequeme Position gefunden hat, und schließt die Augen. »Ich habe gleich Zeit für Sie.«
     Gleich Zeit für Sie.
    Für meine Begriffe heißt »gleich« ein paar Minuten, höchstens fünf. Allerhöchstens zehn. Für Larry Goldsteins Begriffe bedeutet es, dass ich über eine Stunde warten muss, während seine Füße geknetet, seine Fersen mit Bimsstein

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