Heute schon geträumt
gearbeitet, wo sie auch Julian, ihren Mann, kennen gelernt hat. »Du hast doch selber gesagt, du hättest es kaum erwarten können, ihn an den Nagel zu hängen.«
»Stimmt.« Sie strahlt Ruby an, die hysterisch kichernd ihren Bruder mit orangefarbener Pampe beschmiert.
»Du hast sogar eine Party zum Abschied geschmissen«, fahre ich fort.
»Und du konntest nicht kommen«, bemerkt sie und sieht mich an.
»Ich musste eine Abgabefrist einhalten.«
»Wann stehst du mal nicht unter Termindruck?«, kontert sie.
Ich öffne den Mund, um zu protestieren, klappe ihn aber wieder zu. Wenn ich es mir genau überlege, kann ich mich an ein Leben vor all den wichtigen Terminen gar nicht mehr erinnern.
»Meine Güte, und was für eine Party das war.« Vanessa blickt verträumt in die Ferne. »Über hundert Leute haben sich hier gedrängt. Ich war schwanger und konnte nichts trinken, deshalb hat Julian mir Virgin Marys gemixt.« Sie lächelt wehmütig, während ihre Gedanken zu diesem Abend vor über drei Jahren zurückwandern. »Aber du bist dir ja nicht mal sicher, ob dieser Goldstein dich tatsächlich anmachen wollte, und es kommt mir ziemlich unwahrscheinlich vor.Wie du selber sagst, wahrscheinlich irrst du dich.«
»Stimmt«, gebe ich zu. Je länger ich darüber nachdenke, umso sicherer werde ich mir, dass ich es mir nur eingebildet habe.
»Und du hast den Kunden an Land gezogen, was du ja die ganze Zeit wolltest, oder?«
»Stimmt.« Ich nicke.
»Dann brauchst du doch nicht so besorgt dreinzusehen.«
»Tue ich nicht.« Eilig lasse ich die Falten von meiner Stirn verschwinden.
Na gut, ein klein wenig besorgt bin ich durchaus, aber das kann ich natürlich nicht zugeben.
»Wirklich?«, fragt Vanessa erstaunt. »Das sieht dir gar nicht ähnlich. Normalerweise machst du dir doch um alles Sorgen.«
»Um alles? Wohl kaum«, widerspreche ich ein wenig verstimmt.
»Du machst dir sogar darüber Sorgen, dass du dir Sorgen machst«, erinnert sie mich lächelnd.
»Das stimmt nicht!«
»Was war dann an deinem Geburtstag, als wir all den Champagner gekauft haben? Und gerade als wir die Flaschen aufmachen wollten, kamst du daher und warst besorgt, die Korken könnten herumfliegen und jemanden am Auge treffen.«
»Das hätte doch auch passieren können«, protestiere ich. »Ich wollte nur vorsichtig sein.«
»Indem du ›Achtung‹ schreist und in Deckung gehst?«
Ich werde rot. »Okay, das war vielleicht ein bisschen übertrieben, aber diese Korken können wirklich gefährlich sein und einem ein Auge ausschlagen«, erkläre ich, aber Vanessa hört mir nicht zu.
»Und was war damals, als wir zum Junggesellinnenabschied in dieses Wellness-Hotel gefahren sind und uns alle im Pool amüsiert haben, während du im Schatten geblieben bist und dich geweigert hast, zu uns reinzuspringen, weil du Angst hattest, du könntest ausrutschen, dir den Kopf anschlagen und querschnittsgelähmt sein?«
»So etwas passiert sehr häufig«, maule ich. »Hast du Das Meer in mir nicht gesehen?«
»Wir haben keine Sprünge vom Felsen gemacht, Charlotte, sondern sind auf der Luftmatratze im Pool herumgepaddelt.«
»Unfälle können trotzdem immer passieren«, wende ich ein.
»Auf einer Luftmatratze?«, japst sie.
Der Wasserkessel pfeift. Sie nimmt Tassen aus dem Schrank und holt Teebeutel heraus.
»Hast du zufällig Kamillentee?«, frage ich.
»Nein, nur Earl Grey«, erwidert sie. »Komm schon, leb doch mal ein bisschen gefährlich«, neckt sie mich beim Anblick meiner Miene. »Ich erinnere mich noch an den Tag, als du nicht mal wusstest, was Kräutertee überhaupt ist. Damals hast du dich geweigert, irgendetwas zu dir zu nehmen, was keinen Alkohol enthält.«
Ich runzle die Stirn und gehe nicht auf ihre Bemerkung ein.
»Wie geht es Miles?«, fragt sie mit einem Seitenblick in meine Richtung, während sie den Tee aufgießt.
Vanessa ist nicht unbedingt Miles’ größter Fan. Sie lästert zwar nie über ihn, aber das ist auch gar nicht notwendig. Ihre Blicke sagen alles.
»Wunderbar«, sage ich eifrig. »Gestern Abend waren wir in diesem wirklich netten neuen Gastropub essen.«
»Und wann werdet ihr beide eure Beziehung festmachen?«, fragt sie neckend, zupft zwei Feuchttücher aus dem Spender und beginnt, Ruby und Sam die Gesichter abzuwischen.
Ich habe Vanessa davon erzählt. Aber jetzt wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Sie wird sich noch endlos darüber mokieren.
»Wir warten, bis der Immobilienmarkt … äh …« Zu blöd.
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