Heute schon geträumt
aufgefallen, dass sie anwesend ist. »Ich fürchte, ich kann nicht bleiben. Ich bin nur kurz hergekommen, um mir ein frisches Hemd anzuziehen. Ich muss mit einem Mandanten essen gehen. Ganz kurzfristig«, erklärt er entschuldigend.
»Tja, in diesem Fall gehe ich noch ein paar Minuten weg«, sagt Vanessa.
»Weg?« Er runzelt die Stirn.
»Ja, Charlotte und ich gehen kurz etwas trinken.«
»Ach ja?«, hake ich erstaunt nach.
Er dreht sich um und sieht mich auf dem Hocker sitzen. Ich winke flüchtig, während mich der Verdacht beschleicht, mitten in einen Ehekrach geraten zu sein. Ich wünschte, ich wäre woanders.
»Oh, hi, Charlotte«, begrüßt er mich verlegen. »Ich habe dich gar nicht bemerkt.«
»Hi, Julian.« Ich lächle ihn an. »Wie läuft’s in der Kanzlei?«
Julian ist ein höchst erfolgreicher Anwalt und arbeitet immer an irgendeinem Fall, in dem es um einen wichtigen Mandanten und Millionen Pfund geht.Vor einer Woche, als ich im Fitnessclub auf dem Crosstrainer stand, habe ich ihn sogar im Fernsehen gesehen, wo er vor dem Gerichtsgebäude für die Abendnachrichten interviewt wurde.
»Ziemlich hektisch. Wir sind im Moment mitten in einem Prozess, und die Geschworenen -«
Ehe er fortfahren kann, fällt Vanessa ihm ins Wort. »Fertig, Charlotte?« Sie wirft mir einen Blick zu, und ich habe das Gefühl, es ist eher ein Befehl statt einer Frage.
»Vee, bitte, ich bin nur kurz vorbeigekommen«, presst er hervor. »Ich muss in einer halben Stunde wieder weg.«
»Es dauert nicht lange.« Sie schnappt ihre Handtasche.
»Kann ich nicht ein paar Minuten haben, um ein bisschen runterzukommen?«
Das ist das Stichwort. »Du willst ein bisschen runterkommen? Was ist mit mir? Glaubst du, ich will nicht auch mal ein bisschen runterkommen?«
Ich rutsche von meinem Hocker und trete den Rückzug an.
»Was bin ich hier? Der kostenlose Babysitter?«
Julians Miene versteinert. Er sieht aus, als wollte er etwas sagen, verkneift es sich jedoch in letzter Sekunde. »Okay, dann geh eben.« Seufzend wendet er sich wieder den Kindern auf seinen Armen zu. »Also, wer will eine Runde SpongeBob gucken?«
Begeistertes Quieken.Vanessa wirft ihm einen finsteren Blick zu, ehe sie kehrtmacht und vor mir aus der Küche stapft.
Kapitel 8
»Scheiß-SpongeBob«, murmelt sie. »Ist das zu fassen?« Sie dreht sich zu mir um. Offenbar erwartet sie meine Unterstützung, und ich ringe um die korrekte Reaktion, was aber nicht ganz einfach ist, weil ich keine Ahnung habe, wovon sie redet. »Ist das verdammt noch mal zu fassen?«, wiederholt sie mit wutverzerrtem Gesicht.Vanessa sieht ziemlich furchteinflößend aus, wenn sie wütend ist - eine tiefe Furche zieht sich über ihre Stirn, und ihre Nasenlöcher beben.
Wahrscheinlich muss ich gar nicht wissen, wovon sie redet. Ich muss ihr nur zustimmen.
»Äh … definitiv nicht«, erkläre ich loyal, ehe ich zur Sicherheit ein »Ich meine, Sponge Bog. Also bitte« hinterherschiebe. Mit einem lauten Schnalzen. Sehen Sie, die Loyalebeste-Freundin-Nummer kriege ich problemlos hin.
»Sponge Bob«, korrigiert sie und wirft mir einen scharfen Blick zu.
Scheiße.
»Äh, ja … klar … das habe ich ja gemeint«, erkläre ich eilig, aber meine Sorge war unbegründet, weil sie mir sowieso nicht zuhört.
»Er weiß genau, dass sie nicht so viel fernsehen sollen, weil ich das nicht will. Hin und wieder mal eine halbe Stunde ist ja völlig okay, ich meine, ich gehöre nicht zu denen, die ihre Kinder nicht in die Nähe eines Fernsehers lassen, bevor sie sich nicht auf der Uni eingeschrieben haben …«
Zeternd marschiert sie die Straße hinunter. Eilig folge ich ihr.Vanessa ist einen Meter achtzig groß, ohne Schuhe, und kann gewaltige Schritte machen. Ich schaffe es kaum, an ihrer Seite zu bleiben.
»… Aber es ist nicht fair. Nie habe ich mal Zeit für mich. Na gut, ich war einverstanden, meinen Job aufzugeben, damit ich für die Kinder da sein kann, aber es wäre doch nett, wenn auch er mal mit ihnen in den Park gehen würde. So dass ich ein bisschen Zeit für mich allein hätte.Wusstest du, dass er sich noch nie allein um die beiden gekümmert hat? Sam ist fast dreizehn Monate alt …«
»Gibt es hier irgendwo etwas, wo wir einen Drink kriegen?«, werfe ich ein.
Vanessa bleibt stehen und verzieht das Gesicht. »Genau das ist der Punkt. Er weiß, dass wir nicht die nächste Kneipe ansteuern.«
»Tun wir das nicht?« Ich mustere sie verwirrt.
»Nein, ich werde ihn nicht mit
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