Heute schon geträumt
leeren Händen zu einem Geburtstag antanzen. Selbst wenn es mein eigener ist. Zumindest in gewisser Weise, denke ich und beginne im Handschuhfach zu kramen, ob ich noch welche von den Lipgloss-Patronen habe, als mir eine Idee kommt. Was ist mit den tollen Sachen, die ich gestern im Drogeriemarkt erstanden habe? Ich hatte ja vor, sie meinem jüngeren Ich zugutekommen zu lassen, ohne dabei überheblich zu wirken, und dies ist die perfekte Gelegenheit dafür.
Ich nehme die Tüte aus dem Kofferraum, streiche meinen Rock glatt und gehe auf das Haus zu. An der Tür sind leuchtend bunte Luftballons befestigt, und die Klänge von »Bittersweet Symphony« von The Verve dringen heraus.
Ich öffne das Gartentor und trete vor die Tür. Eine Hand auf den vertrauten Umrissen des Messingklopfers in Delfinform, stehe ich da. Es ist, als hätte ich erst gestern noch einen Hausschlüssel in der Tasche gehabt, als sei dies mein Zuhause gewesen, der Ort, an dem ich lebte, liebte, träumte …
»Whoooo-hoooo!«
In diesem Moment geht die Tür auf, und kreischendes Gelächter schallt mir entgegen, als ein Pärchen über die Schwelle stolpert. Köpfe im Nacken, eine Dose Tennant’s Extra und eine Zigarette in den Händen, taumeln sie auf mich zu, bemüht, sich gegenseitig zu stützen. Ich mache einen Satz rückwärts, bevor sie mich anrempeln.
»Hoppla«, nuscheln sie, ehe sie in hysterisches Gekicher ausbrechen und wild zu knutschen anfangen.
Ich weiche zurück. Oje, ich hatte völlig vergessen, wie diese Partys damals abliefen.Vielleicht war es ja doch keine so gute Idee, herzukommen.
Ich kann nicht an ihnen vorbei, weil sie mir den Weg versperren, also drücke ich mich mit meiner Tüte vor der Brust gegen die Hecke, bis sie es leid sind, einander die Zunge in den Hals zu stecken, und sich voneinander lösen.
»’tschuldigung, aber wir sind gerade am Gehen«, entschuldigen sie sich mit einem trunkenen Grinsen.
»Oh, ist die Party schon vorbei?«, frage ich, als noch ein paar andere aus dem Haus kommen und sich an mir vorbei auf den Gehsteig drängen.
»Ich hoffe doch nicht«, antwortet der Junge, wendet sich an das Mädchen, das an seiner Schulter hängt, und leckt ihr übers Gesicht.
Igitt!
»Charlotte!«
Ich wirble herum und sehe Lottie strahlend auf der Türschwelle sehen. »Hey, ich wusste gar nicht, dass du kommst!«
»Ich weiß, aber … na ja, mein Abend war schneller zu Ende als gedacht«, sage ich. »Aber egal.Alles Gute zum Geburtstag!« Lächelnd drücke ich ihr die Tüte in die Hand. »Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen, die Sachen einzupacken.« Es ist mir ein bisschen peinlich, ihr zwei Plastiktüten anstelle eines edel verpackten Geschenks zu überreichen.
Aber falls sie sich daran stört, zeigt sie es jedenfalls nicht. Stattdessen weiten sich ihre Augen auf Untertassengröße, und ein entzückter Ausdruck tritt auf ihre Züge. »Oh, wow, ist das alles nur für mich?«
»Ach, so viel ist es nun auch wieder nicht.«
»Alles?«, wiederholt sie verdattert.
Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich so darüber freut. Sie scheint regelrecht außer sich vor Begeisterung zu sein, dabei ist es nur Krimskrams aus dem Drogeriemarkt. Als ich meinen neuen Wagen bekommen habe, war ich bestimmt nicht so entzückt, denke ich beim Anblick ihres Gesichts mit einer Mischung aus Neid und Freude.
»Klar.«
»Wow! Ich fasse es nicht. Du hast ja ein Vermögen ausgegeben.« Sie zieht die Foundation von Estée Lauder in exakt ihrem Hautton heraus, die ihr billiges, leicht orangestichiges Zeug möglichst schnell verbannen soll. »Das ist so nett von dir.«
»Ach was, nicht der Rede wert.« Ich lächle bescheiden. Ich habe völlig vergessen, welchen Spaß es immer gemacht hat, etwas geschenkt zu bekommen. Beim Gedanken an meinen übervollen Badezimmerschrank mit all den Sachen, die ich sowieso nie benutze, beschleicht mich ein schlechtes Gewissen. Aber erfreulicherweise kommen meine Geschenke prima an.
»Eigentlich würde ich dich ja gern hereinbitten, aber alle brechen gerade auf.«
»Wirklich?« Ich bin ein wenig enttäuscht.Verdammt, ich habe die Party also doch versäumt. »Tja, es ist auch schon ziemlich spät. Ich sollte wohl langsam auch ins Bett.«
»Ins Bett?« Sie starrt mich fassungslos an, ehe sie in schallendes Gelächter ausbricht. »Ha-ha! Sehr witzig. Das war doch ein Scherz, oder?«
»Äh, ja, natürlich«, wiegle ich mit einem unsicheren Lachen ab. »Tja … äh … aber wenn du nicht schlafen willst,
Weitere Kostenlose Bücher