Heute und für immer: Roman (German Edition)
die Rückseite ihres Dessertlöffels ab. »Von meinem Standpunkt als Anthropologin aus betrachtet, würde ich sagen …« Sie unterbrach sich kurz und
griff nach ihrem Weinglas. »Das Leben ist wie ein Schnauzbart. Es kann schön oder schrecklich sein. Aber es kitzelt immer.«
Jordan lachte laut auf, während Harry sich einen großen Schluck Wein genehmigte.
Eine halbe Stunde später hatten sich die beiden Männer in das Spielzimmer zurückgezogen. Jordan ordnete die Kugeln auf dem Billardtisch und lauschte dabei Harrys besorgten Kommentaren über Kasey.
»Harry, du brauchst dir keine Gedanken zu machen.« Er bedeutete seinem Freund, dass er den Anstoß habe. »Kasey gibt mir alles, was ich brauche – und mehr. Das Wissen, das sich in ihrem sonderbaren Hirn verbirgt, ist immens.«
»Das ist genau der Punkt, auf den ich hinaus will.« Harry eröffnete das Spiel. »Sie ist sonderbar.«
»Vielleicht sind wir diejenigen, die sonderbar sind«, gab Jordan leise zu bedenken. Seit sie in sein Leben getreten war, hatte er sich die Frage schon öfter gestellt. »Auf alle Fälle kennt sie ihr Gebiet so gut wie unsereins das Alphabet.« Er stellte sich für einen Stoß in Position. »Ohne sie wäre ich fachlich aufgeschmissen.« Er versenkte den Ball und ging um den Tisch herum, um die nächste Kugel anzuvisieren. »Darüber hinaus ist sie die interessanteste Frau, die ich je kennen gelernt habe.«
»Du verfolgst doch keine persönlichen Absichten, oder?«
»Ich tue mein verdammt Bestes.« Als die Fünfer-Kugel die Tasche verfehlte, legte Jordan die Stirn in Falten.
»Jordan, eine persönliche Beziehung mit Kasey könnte sich negativ auf deine Arbeit auswirken! Ich sagte dir doch bereits, dass dieses Buch Pulitzerpreis-verdächtig ist. Du genießt schließlich schon einen gewissen Ruf.«
»Es wäre klüger, erst das Buch zu Ende zu bringen, ehe
wir über einen Pulitzerpreis spekulieren. Du bist dran, Harry«, gab Jordan zurück.
Harry versenkte zwei Kugeln und scheiterte an der Dritten. Dann wählte er seine folgenden Worte sehr sorgfältig. »Jordan, mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit etwas rastlos wirkst. Ich würde vorschlagen, dass du dir einen Urlaub gönnst, wenn das Buch fertig ist.«
Jordan grinste und beugte sich weit über den Tisch, um den Queue in die richtige Stoßposition zu bringen. »Versuchst du, mich vor Kasey zu beschützen, Harry?«
»So würde ich das nicht sagen.« Harry holte tief Luft und stützte sich auf seinen Queue. »Ich stelle nur fest, dass Miss Wyatt eine sehr attraktive Frau ist. Und eine recht verwirrende.«
»Hmm, verwirrend«, murmelte Jordan. »Ja, das stimmt. Und selbst wenn ich wollte, wüsste ich nicht, was ich dagegen tun könnte. Aber eines weiß ich, sie hat für mich ein paar Türen geöffnet, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie geschlossen hatte.«
»Du bist doch nicht bereits gefühlsmäßig mit ihr …«, Harry suchte nach dem richtigen Wort. »Verbunden?«
»Du meinst wohl, ob ich in sie verliebt bin?« Jordan kniff die Augen zusammen, versenkte die Neun und bohrte die Spitze seines Queue nachdenklich in den Kreidewürfel. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich weiß nur, dass ich verrückt nach ihr bin.«
»Mein lieber Freund«, begann Harry. »Sex ist …« Er zauderte und räusperte sich.
»Ja?«, half Jordan nach und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
»Ein wichtiger Teil des Lebens«, beendete Harry seinen Satz steif.
»Harry, du überraschst mich.« Jordans Grinsen wurde breiter. »Dein Stoß.«
Als die Tür mit Schwung aufflog, fuhren beide Männer herum.
»Mensch, Jordan, du solltest wirklich einen Plan von diesem Labyrinth drucken lassen«, lachte Kasey, die mit einem dicken Buch unterm Arm hereingeschlendert kam. »Ich hab im Leben noch nie so viele Flure und Korridore in einem Haus gesehen. Da ist das Buch, Dr. Rhodes.« Sie legte es auf einem Tisch ab und blies sich eine Strähne aus den Augen. »Habe ich hier geheiligte Erde betreten?«
Jordan stützte sich auf seinen Queue. Wie kam es, dass jeder Raum zum Leben zu erwachen schien, sobald sie ihn betrat? »Wäre das schlimm?«
»Nein, mich stört es nicht. Kann ich einen Drink haben?«
»Wermut? Tequila habe ich hier leider nicht.«
»Ja, danke«, murmelte Kasey, die bereits dabei war, dieses Zimmer genauer in Augenschein zu nehmen.
Es war ein großer weiter Raum, in dem sie keinen Quadratzentimeter Seide oder Brokat entdecken konnte. Dafür aber den alten
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