Heute und für immer: Roman (German Edition)
Gegenüber durchaus für Unterhaltung sorgen.«
Jordan Taylor stellte sein Glas ab. Eine gewisse Unruhe hatte ihn erfasst, die er sich nicht erklären konnte. »Ich glaube kaum, dass ich deine Miss Wyatt als unterhaltend
empfinden werde.« Er versenkte die Hände in den Taschen seiner maßgeschneiderten Flanellhose und beobachtete, wie sein Freund sein Glas mit einem Schluck leerte. »Weißt du, ich sehe die gelehrte Dame schon bildlich vor mir: aschblondes Haar, streng aus dem hageren Gesicht gekämmt, auf der langen, spitzen Nase eine altmodische Hornbrille mit dicken Eulengläsern. Das Ganze in einem formlosen grauen Kostüm verpackt, um die fehlenden Kurven zu kaschieren, dazu solide Halbschuhe aus dem Fachgeschäft für orthopädische Schuhe, Größe zweiundvierzig.«
»Achtunddreißig.«
Die beiden Männer fuhren in einer synchronen Bewegung herum und erstarrten.
»Hallo, Mr. Taylor«, sagte Kasey fröhlich. Sie ging auf die beiden zu und streckte Jordan eine Hand entgegen. »Und Sie müssen Dr. Rhodes sein. Wir haben in den vergangenen Wochen eifrig miteinander korrespondiert, nicht wahr? Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.«
»Ja, nun – ich …« Harry warf ihr einen verlegenen Blick zu.
»Ich bin Kathleen Wyatt.« Sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, ehe sie sich wieder Jordan zuwandte. »Wie Sie sehen, trage ich mein Haar nicht streng zurückgekämmt. Es würde sich auch jedem Versuch widersetzen, es in dieser Art zu bändigen«, fügte sie hinzu und zupfte an einer der Korkenzieherlocken, die ihr frech in die Stirn fielen.
»Zu meiner Haarfarbe möchte ich bemerken, dass diese in Friseurfachkreisen als Goldblond bezeichnet wird.« Ihre Stimme klang ganz sanft. »Und hager würde ich mein Gesicht auch nicht nennen, obwohl ich recht ausgeprägte Wangenknochen besitze, die ich persönlich sehr hübsch finde. Hätte vielleicht einer der Herren Feuer für mich?«
Kasey kramte in ihrer Handtasche nach den Zigaretten und warf Harry Rhodes dabei einen erwartungsvollen Blick zu. Er zog hastig ein Feuerzeug aus seiner Sakkotasche. »Vielen Dank. Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja«, setzte Kasey ihren Monolog fort, noch ehe einer der beiden Männer den Mund aufmachen konnte. »Zum Thema Brille möchte ich bemerken, dass ich tatsächlich mitunter eine trage, allerdings nur zum Lesen und vorausgesetzt, ich finde sie. Aber ich glaube nicht, dass Sie das gemeint hatten. Hm, was könnte ich Ihnen denn sonst noch von mir erzählen … Darf ich mich setzen? Meine Schuhe bringen mich um.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie sich auf einem Brokatsessel nieder und schnippte die Asche ihrer Zigarette in einen kristallenen Aschenbecher. »Meine Schuhgröße ist Ihnen ja bereits bekannt.« Damit lehnte sie sich zurück und fixierte Jordan Taylor aus tiefgrünen Augen.
»Tja, Miss Wyatt«, bemerkte dieser nach einer Weile gedehnt, »ich weiß nicht, ob ich mich entschuldigen oder applaudieren soll.«
»Ach, ich würde mich auch mit einem Drink begnügen. Haben Sie zufällig einen Tequila?« Kopfschüttelnd trat Jordan an den Bartisch. »Da muss ich Sie leider enttäuschen, fürchte ich. Würden Sie auch mit einem Wermut vorlieb nehmen?«
»Aber gewiss. Vielen Dank.«
Kasey sah sich ein wenig um. Sie befanden sich in einem großen, viereckig geschnittenen Raum mit dunkler Holzvertäfelung. Eine Wand wurde von einem reich verzierten Marmorkamin beherrscht. Darüber hing ein großer Mahagonispiegel. Die Perserteppiche waren alt, die Vorhänge schwer.
Zu ungemütlich, beurteilte Kasey spontan die steife Eleganz.
Wäre sie hier die Hausherrin, hätte sie darauf bestanden, dass die Vorhänge tagsüber aufgezogen waren, oder besser noch, sie hätte sie ganz entfernt und durch duftige Stores ersetzt. Unter den dicken Teppichen vermutete sie ein blank gebohnertes Hartholzparkett.
»Miss Wyatt.« Jordan lenkte Kaseys Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er ihr den Drink reichte. Ihre Blicke, in denen sich unverhohlene Neugier spiegelte, trafen sich, wurden jedoch gleich darauf von einer Bewegung an der Tür abgelenkt.
»Jordan, Millicent sagte mir gerade, dass Miss Wyatt eingetroffen ist, aber anscheinend ist sie hier irgendwo verloren … oh!« Die Frau, die in den Salon geschwebt war, blieb wie angewurzelt stehen, als sie Kasey erblickte. »Sie sind Kathleen Wyatt?« Mit demselben Misstrauen, das auch das Dienstmädchen hatte erkennen lassen, beäugte sie die Frau in der grauen Flanellhose und der
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