Heute und für immer: Roman (German Edition)
auf Harrys Arm, um dessen Monolog zu unterbrechen, und ging dann quer durch den Salon auf seine Nichte zu. »Zwei so hübsche junge Damen hatte ich gar nicht erwartet«, sagte er, hob Alisons Kinn mit der Fingerspitze an und musterte sie. Und erwachsener, als er geglaubt hatte. »Ich fürchte, ich muss dich bald einsperren, wenn ich dich noch länger bei mir haben möchte.«
Alisons Augen weiteten sich überrascht. Allein dieser Blick war Tadel genug, dass er Alison bisher kaum wahrgenommen hatte. Wie hatte er so lange mit ihr unter einem Dach leben und sie nicht beachten können? Während er sie erstaunt musterte, blickte Alison verwirrt zu Kasey hoch.
»Oh, Onkel Jordan«, flüsterte sie, und dabei hüpfte ihr das Herz förmlich in die Augen.
Aus diesem Blick spricht die reine Liebe, dachte Jordan und spürte, wie sich etwas in seinem Inneren öffnete. »Oh, ja«, sagte er leise und strich zärtlich über Alisons Wange. »Ich glaube, ich behalte dich hier.«
»Alison«, rief Beatrice aus der anderen Ecke des Salons. »Wo bleiben deine Manieren? Komm und sag Dr. Rhodes guten Abend.«
Alison warf Kasey ein Grinsen zu und trat auf Dr. Rhodes zu.
»Jordan …« Kasey schluckte kurz und räusperte sich. »Das war wirklich großartig.«
Jordan sah sie an und lächelte. »Tränen, Kasey?«
»Ach was.« Sie schüttelte den Kopf und schluckte noch einmal.
Jordans Blick wanderte abermals zu Alison. »Ich muss mich bei dir bedanken.«
»Oh, nein. Bitte nicht.« Kasey schüttelte noch heftiger den Kopf.
Jordan nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Doch. Und ich habe das Gefühl, es ist eine schwere Schuld, die ich zu begleichen habe. Mir hat die Liebe ins Gesicht gesehen, und ich habe es nicht bemerkt.«
Kasey musterte ihn und atmete dabei tief ein. Das tut sie gerade wieder , dachte sie. Nur ist diese Liebe ein bisschen komplizierter. »Wenn du nicht möchtest, dass deine Mutter und Dr. Rhodes einen Anfall bekommen und dass das blütenweiße Taschentuch beschmutzt wird, das du dir so dekorativ in die Brusttasche gesteckt hast, solltest du besser das Thema wechseln und mir einen Drink mixen.«
»In Ordnung«, sagte er und küsste noch einmal ihre Fingerspitzen. »Einstweilen.«
Während der Zwiebelsuppe, der ein köstlicher Lammbraten und ein Salat folgten, löcherte Dr. Rhodes Kasey mit Fragen, die die gesamte Anthropologie umspannten. Selbst bei diesem zweiten Gespräch war er nicht in der Lage, jene Kathleen Wyatt, deren Arbeiten er studiert und bewundert hatte, mit dieser schlagfertigen und humorvollen Frau in Einklang zu bringen, die ihm an der Tafel gegenübersaß. Sie hüpfte von einem Thema zum nächsten und gab dabei Ansichten und Bemerkungen zum Besten, die ihm schier die Sprache verschlugen. Und da er Jordan gut kannte, wurde ihm schnell klar, dass das Interesse seines Freundes für seine Mitarbeiterin nicht nur akademischer Natur war. Weil aber Kasey auf seine Empfehlung hin in den Taylorschen Haushalt geschneit war, machte er sich ernsthafte Sorgen.
Hatte er Jordan am Ende zu einem Problem statt zu einer Lösung verholfen?
Auf ihrem Gebiet war sie jedoch zweifellos eine Koryphäe. Als das Pfirsich-Flambé serviert wurde, begann sich Harry allmählich zu entspannen.
»Anthropologie ist nicht mit Psychologie gleichzusetzen«, entgegnete Kasey auf eine seiner Bemerkungen. »Als Psychologe, Dr. Rhodes, versuchen Sie, eine Kultur im Gleichgewicht zu halten, um Geist und Seele zu untersuchen. Ich als Anthropologin hingegen versuche, Geist und Seele im Gleichgewicht zu halten und die Kultur zu untersuchen. Ich habe ein interessantes Buch über dieses Thema hier. Vielleicht möchten Sie es sich einmal ausleihen.«
»Ja, gern.« Ihre Unterhaltung bewegte sich in unverfänglichen Bahnen, was Harry erleichterte. »Das würde mich sehr freuen, Miss Wyatt.«
»Prima. Wenn ich es finde, können Sie es heute Abend gleich mitnehmen«, gab sie zurück.
»Also, ich fürchte, das ist mir alles zu hoch«, ließ sich Beatrice vernehmen und warf Harry ein geziertes Lächeln zu. Kasey ignorierte sie. »Ihr Psychologen und Anthropologen fasziniert mich mit euren Theorien und Lebensphilosophien.«
»Nun, meine Theorien halte ich nicht für besonders faszinierend, Beatrice«, warf Harry bescheiden ein.
»Ich frage mich, wie Kaseys Lebensphilosophie aussehen mag«, bemerkte Jordan und lächelte ihr aufmunternd zu. »Ich bin sicher, dass ihre Theorie recht interessant sein dürfte.«
Kasey leckte gerade
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