Heute und für immer: Roman (German Edition)
bemerkte sie.
»Danke, Miss Wyatt«, erwiderte Jordan nach einer kurzen Pause, ehe er sich kopfschüttelnd seinen Bademantel überzog.
Kasey stand rasch auf. Unwillkürlich stellte sie fest, dass er einen Kopf größer war als sie. »Sollen wir nach dem Frühstück mit der Arbeit beginnen? Falls Sie jedoch noch anderweitig beschäftigt sind, kann ich mir Ihre Gliederung und die Notizen auch allein ansehen.«
»Nein, ich brenne darauf, anzufangen, Miss Wyatt. Die Vorstellung, von Ihrem Wissen zu profitieren, erscheint mir von Minute zu Minute interessanter.«
»Wirklich?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Na, hoffentlich sind Sie nicht enttäuscht, Jordan. Ich nenne Sie jetzt einfach Jordan, wenn Sie nichts dagegen haben. Früher oder später hätten wir uns wahrscheinlich ohnehin darauf geeinigt, nehme ich an.«
Jordan nickte zustimmend. »Und ich soll Sie Kathleen nennen?«
»Bitte nicht«, erwiderte sie grinsend. »Niemand nennt mich so.«
Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Gedanken zu sortieren. »Dann Kasey?«
Er sah sie wieder mit diesem durchdringenden Blick an, der Kasey verlegen machte, und beobachtete, wie sich ihre Augen für einen Moment verdunkelten.
»Ob das Frühstück wohl schon fertig ist?«, wechselte sie schnell das Thema. »Mir knurrt schon seit Stunden der Magen.«
Gleich nach dem Frühstück verschanzten sich Jordan und Kasey in der Bibliothek. Es war ein großer Raum voller Bücherregale, in dem es nach altem Leder, frischer Politur und Tabak roch. Kasey gefiel die Bibliothek sehr viel besser als die anderen Räumlichkeiten, die sie bisher in diesem Haus kennen gelernt hatte. Hier entdeckte sie Anzeichen von Produktivität, auch wenn alles streng organisiert wirkte. Keine herumliegenden Notizen, keine Bücherstapel.
Eine große, dunkelgerahmte Brille auf der Nase, saß Kasey am Fenster und studierte Jordans Notizen. Sie war barfuß und wippte lässig mit einem Bein, während sie die Papiere durchblätterte.
Schön ist sie nicht, stellte Jordan fest. Zumindest nicht im klassischen Sinn. Und doch hatte ihr Gesicht etwas Faszinierendes. Wenn sie lächelte, schien es, als leuchte sie von innen heraus. Und sie besaß Humor. Sie war groß und knabenhaft schlank, schmalhüftig und langbeinig. Im Bett würde ein Mann an ihr wahrscheinlich mehr Kanten als Kurven entdecken. Bei diesen Gedanken runzelte Jordan unwillkürlich die Stirn.
Ihre Bewegungen hatten etwas Ausgelassenes, etwas Vibrierendes
und Übermütiges an sich, das auch in ihrer Sprache zum Ausdruck kam. Doch im Augenblick schien sie auf Sparflamme zu kochen. Sie war mucksmäuschenstill, ihre Züge entspannt. Die einzige Bewegung war der nachlässig schwingende nackte Fuß.
Kasey war sich absolut bewusst, dass Jordan sie beobachtete. »Der Plot Ihrer Geschichte ist sehr aufregend«, bemerkte sie und durchbrach damit das Schweigen und die erotische Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte.
»Vielen Dank.« Er hob eine Braue. Er hatte diese Spannung ebenfalls gespürt und war darüber genauso beunruhigt wie sie.
Kasey zog die Beine an und angelte eine Zigarette aus der Packung, ohne ihren Blick von Jordan abzuwenden. »Mir scheint, Sie beschränken sich vorwiegend auf die Prärie-Indianer. Sie entsprechen zwar am ehesten unserem Bild der nordamerikanischen Indianer, dabei sind sie im Grunde die untypischsten Vertreter dieser Volksgruppe.«
»Tatsächlich?« Jordan erhob sich, um Kasey, die ihre Zigarette achtlos zwischen Zeige- und Mittelfinger balancierte, Feuer zu geben. »Ich überlasse es Ihnen, das Missverständnis aufzuklären und mir die Unterschiede darzustellen.«
»Ach, dazu müssten Sie nur ein paar einschlägige Fachbücher lesen«, erwiderte sie und lehnte sich gemütlich zurück. »Wofür haben Sie mich eigentlich engagiert?«
Jordan lehnte sich ebenfalls zurück und setzte einen nachdenklichen Blick auf. Er musterte Kasey in aller Ruhe von oben bis unten, was darauf abzielte, sie aus dem Konzept zu bringen.
»Auch dafür hätten Sie mich nicht extra aus New York einfliegen lassen müssen«, bemerkte sie trocken. »Jungfräuliches
Erröten gehört nicht zu meinem Repertoire, Jordan.« Sie lächelte und beobachtete, wie sich auch seine Lippen unwillkürlich an den Mundwinkeln zu kräuseln begannen. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, entschied sie dann spontan. »Ich werde Ihre Neugier befriedigen, wenn Sie dasselbe tun. Ich bin eine professionelle Anthropologin und keine
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