Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
hätten Sie die bekommen. Das ist ein einfacher Behaglichkeitsszauber, sehr nützlich, damit Leute sich wohlfühlen. So wie Sie, bevor Ihr angeborener Argwohn die Oberhand gewann.«
Wow. Sie war wirklich gut. Einen Allzweckzauber hatte ich bisher noch nicht einmal probiert.
Aber ich zeigte ihr natürlich nicht, dass ich beeindruckt war.
»Was wäre gewesen, wenn mein Lieblingsgetränk Bier wäre? Hätten Sie mir einen vollen, schaumigen Krug gehext?«
Sie hob die Schultern; eine Bewegung, die viel zu elegant war, um sie als Achselzucken zu bezeichnen. »In dem Fall wäre ich wohl in der Zwickmühle gewesen.«
Sie zog eine lederne Mappe aus einem Stapel Aktenordner auf ihrem Tisch und lehnte sich in ihrem Thron zurück.
»Sagen Sie, Sophia«, sagte Mrs Casnoff, »was genau wissen Sie über Ihre Familie?«
Sie hatte die Fußknöchel gekreuzt und wirkte so lässig, wie es bei ihr nur möglich war.
»Nicht viel«, antwortete ich vorsichtig. »Meine Mom stammt aus Tennessee, ihre Eltern starben bei einem Autounfall, als sie zwanzig war …«
»Das ist nicht die Seite Ihrer Familie, die ich meinte«, unterbrach mich Mrs Casnoff. »Was wissen Sie über die Angehörigen Ihres Vaters?«
Jetzt versuchte sie nicht einmal, ihre Anspannung zu verbergen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als hinge etwas sehr Bedeutsames von meiner nächsten Antwort ab.
»Ich weiß nur, dass mein Vater ein Zauberer namens James Atherton ist. Meine Mutter hat ihn in England kennengelernt, und er erzählte ihr damals, er sei dort aufgewachsen. Aber sie war sich nicht sicher, ob das stimmte.«
Seufzend stellte Mrs Casnoff ihre Tasse ab und blätterte in der Ledermappe. Sie schob sich die Brille, die normalerweise auf ihrem Kopf thronte, auf die Nase und murmelte: »Mal sehen, da war doch gerade … ah ja, hier ist es.«
Sie griff in die Mappe, dann hielt sie plötzlich inne und sah mich an.
»Sophia, es ist von größter Wichtigkeit, dass das, was wir jetzt in diesem Raum besprechen, nicht nach außen dringt. Ihr Vater hat mich gebeten, es Ihnen zu einem Zeitpunkt mitzuteilen, der mir passend erscheint, und ich habe das Gefühl, dass dieser Zeitpunkt gekommen ist.«
Ich nickte nur. Ich meine, was kann man auf eine solche Ansprache auch erwidern?
Offenbar genügte ihr das, denn sie reichte mir ein Schwarzweißfoto. Eine junge Frau starrte mir darauf entgegen. Sie sah ein paar Jahre älter aus als ich, und aus dem Schnitt ihrer Kleidung schloss ich, dass das Foto irgendwann in den sechziger Jahren aufgenommen worden war. Ihr Kleid war dunkel und flatterte ihr um die Waden, als ginge gerade eine leichte Brise. Sie hatte helles Haar, wahrscheinlich war es blond oder rötlich.
Unmittelbar hinter ihr konnte ich die vordere Veranda von Hecate Hall ausmachen. Offenbar waren die Fensterläden damals weiß gewesen.
Sie lächelte, aber ihr Lächeln wirkte gepresst, gezwungen.
Dann ihre Augen. Groß, weit auseinander stehend und sehr hell.
Und sehr vertraut.
Solche Augen hatte ich bisher nur einmal gesehen, nämlich bei meinem Vater, auf dem einzigen Foto, das ich von ihm besaß.
»Wer …« Meine Stimme versagte kurz. »Wer ist das?«
Als ich zu Mrs Casnoff aufsah, stellte ich fest, das sie mich eingehend beobachtete. »Das«, antwortete sie, während sie sich eine weitere Tasse Tee einschenkte, »ist Ihre Großmutter, Lucy Barrow Atherton.«
Meine Großmutter. Eine ganze Weile hatte ich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Ich starrte auf das Gesicht und versuchte verzweifelt, mich darin wiederzufinden.
Aber ich fand nichts. Ihre Wangenknochen waren vorstehend und hoch, während mein Gesicht leicht rundlich ist. Ihre Nase war zu lang, um meiner zu ähneln, und ihre Lippen waren zu schmal.
Ich betrachtete sie, die trotz des Lächelns so traurig aussah. »Sie war hier?«, fragte ich.
Mrs Casnoff schob ihre Brille wieder auf den Kopf und nickte. »Lucy ist sogar hier in Hecate aufgewachsen, natürlich zu einer Zeit, bevor es Hecate Hall wurde . Ich glaube, dieses Foto wurde kurz nach der Geburt Ihres Vaters aufgenommen.«
»Haben Sie … haben Sie sie gekannt?«
Mrs Casnoff schüttelte den Kopf. »Das muss wohl vor meiner Zeit gewesen sein. Aber die meisten Prodigien wissen natürlich von ihr. Ihre Geschichte ist durchaus einzigartig.«
Sechzehn Jahre lang hatte ich mich gefragt, wer ich wirklich war und woher ich kam. Und hier hatte ich die Antwort direkt vor mir. »Warum?«
»Ich habe Ihnen an Ihrem ersten Tag hier die Geschichte
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