Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
etwas unternehmen«, erwiderte Dad mit dieser trügerisch ruhigen Stimme, »wenn weder Sie noch Anastasia mir erzählen wollen, was genau auf Graymalkin Island vorgefallen ist?«
Tja, da hatte ich doch meine Antwort. Mir war ja schon vorher klar gewesen, dass Lara und Mrs Casnoff irgendwas mit den skurrilen Vorgängen in Hecate zu tun haben mussten. Es jedoch auf diese Weise bestätigt zu finden, haute mich trotzdem glatt um. Wie? Wie konnten diese Frauen, die so eng mit Dad zusammenarbeiteten, etwas derart Abscheuliches tun, ohne dass er davon wusste?
»Die Schule fällt in unseren Aufgabenbereich«, fauchte Lara. »Und somit ist das auch ganz allein unsere Angelegenheit.«
»Und doch haben Sie um meine Hilfe gebeten.«
Plötzlich machte Lara einen Satz nach vorn und schlug erbost mit der flachen Hand auf Dads Schreibtisch. »Wir hatten einen Eindringling in einem verbotenen Teil der Insel … unser Sicherheitssystem wurde empfindlich getroffen.«
Vor meinem inneren Auge sah ich Archers Schwert, wie es einen Ghul aufschlitzte. Ja, klar, getroffen, so konnte man es natürlich auch ausdrücken.
Dann wechselte sie die Taktik. »Sie haben es geschworen. Sie haben meinem Vater geschworen, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun würden, um meine und Anastasias Interessen in Hecate zu wahren.«
Selbst ich hätte ihr sagen können, dass das ein ganz schlechter Schachzug war. Dad sah einfach nur ziemlich sauer aus. »Lassen Sie ihn lieber aus dem Spiel, Lara.«
Da erst bemerkte mich Dad, und sobald er über Laras Schulter hinweg zu mir blickte, fuhr sie herum. Schlagartig wurde ihre Miene milder, und sie lächelte sogar. Ihre Augen jedoch wirkten genauso hart und glänzend wie der Lack auf Dads Schreibtisch.
»Sophie, da sind Sie ja! Wo haben Sie denn in den letzten Tagen gesteckt? Wir haben Sie ja kaum zu Gesicht bekommen.«
»H-hier?«, stammelte ich und wand mich innerlich. Na, das war doch mal ein tolles Alibi. »Dad hat mir einen ganzen Batzen Lesestoff gegeben. Stör ich gerade bei irgendwas?«
Lara machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nur ein paar langweilige Ratsangelegenheiten. Aber nichts, was Sie betrifft.« Dann wandte sie sich wieder an Dad. »Wir können unser Gespräch auch später beenden. Ich lasse Sie zwei jetzt erst mal allein, damit Sie ein wenig plaudern können.« Im Gehen tätschelte sie meine Hand auf diese vertrauliche Art, wie sie es immer tat. Und nur mit aller Kraft konnte ich mich gerade noch davon abhalten, meine Hand wegzuziehen.
Als sich die Tür mit einem Klicken hinter ihr schloss, stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus. Dad bedeutete mir, Platz zu nehmen. Sobald ich saß, sagte er: »Ich fürchte, meine Reise war nicht ganz so erfolgreich, wie ich gehofft hatte. Aislinn Brannick ist immer noch …«
»Sie beschwören Dämonen in Hex Hall«, platzte ich heraus. »Neulich war ich da, mit dem Itineris, und ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Das ist der Ort, an dem das alles geschieht, und in den vergangenen achtzehn Jahren sind schon sechs Schüler von der Schule verschwunden. Zwei von ihnen waren Anna und Chaston, die Mädchen, die Alice letztes Jahr angegriffen hat.« Es tat gut, die ganzen Fakten einfach auf den Tisch zu packen. Dadurch blieb mir auch keine Zeit, Angst vor den Lücken zu haben, die meine Geschichte enthielt.
Dad starrte mich nur an, als spräche ich plötzlich Griechisch. Obwohl – wahrscheinlich konnte Dad sogar Griechisch, also war es vielleicht eher so, als spräche ich Marsianisch. Jedenfalls wirkte er gleichermaßen panisch und verwirrt.
»Bitte?«
Ich zwang mich, langsamer zu reden, und erzählte die Geschichte noch einmal von vorn, wobei ich Archer natürlich mit keinem Wort erwähnte. Ich behauptete, dass ich mich daran erinnert hätte, in Hecate etwas Merkwürdiges gesehen zu haben, also war ich dorthin zurückgekehrt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dann beschrieb ich ihm in allen Einzelheiten die Grube, den Stein in der Mitte und sogar die Ghule.
Als ich schließlich fertig war, wirkte Dad älter und trauriger, als ich ihn je zuvor gesehen hatte. »Nichts von alldem ergibt einen Sinn.«
»So langsam glaube ich, dass sich dieser Satz ausgesprochen gut als Titel meiner Autobiographie eignen würde.«
»Lara und Anastasia sind zwei meiner vertrautesten Verbündeten«, sagte Dad und rieb sich das Kinn. »Warum um alles in der Welt sollten ausgerechnet sie dahinterstecken?«
»Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Gibt es
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