Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
gemacht haben, nicht wahr?«
Jenna blieb merklich die Spucke weg, aber Dad musterte mich nur einen Moment lang. »Ja. Und wie clever du bist, dir das alles so schnell zusammenzureimen!«
Er klang ehrlich erfreut, und mich beschlich ein leises Gefühl von Glück. Trotzdem sagte ich: »In Wahrheit hat mir Jenna dabei geholfen. Sie hatte nämlich was über einen Schwung Mädchen gelesen, die während des Blitzkriegs hierhergeschickt wurden, und ich hab mich dann daran erinnert, dass nach Mrs Casnoffs Ausführungen die Dame, die Alice, äh, verwandelt hat, Thorne hieß. Und das ist auch der Grund dafür, warum wir eigentlich hier sind. Ich wollte herausfinden, ob in einem der Bücher, die Jenna gelesen hat, ein Foto von Alice abgebildet ist.«
»Wenn du ein Bild deiner Urgroßmutter aus ihrer Zeit in Thorne sehen möchtest, kann ich dir eins geben. Warum bist du denn nicht gleich zu mir gekommen?«
Zwar kam mir sofort eine sarkastische Bemerkung in den Sinn, aber die konnte ich mir gerade noch verkneifen. Er hatte ja recht. Es wäre sicher die logischere Vorgehensweise gewesen, ihn einfach zu fragen, statt in der Bibliothek auf Erkundungszug zu gehen.
Gott sei Dank hatte ich aber Jenna. Sie blickte zu meinem Dad auf und sagte: »Mr Atherton, im Laufe der letzten sechzehn Jahre musste Sophie immer wieder erleben, wie die unterschiedlichsten Leute sie in den verschiedensten Situationen belogen haben. In Hecate wurde sie dann immer geschickter darin, die Dinge eigenständig in Erfahrung zu bringen. So eine Angewohnheit wird man nur schwer wieder los.«
Jenna mochte ja eine zierliche Blondine mit einer nahezu pathologischen Vorliebe für Pink sein, aber nichtsdestotrotz war sie ein Vampir, und insofern konnte sie auch ziemlich schonungslos sein, wenn sie es drauf anlegte. In diesem Moment hätte ich sie am liebsten einfach hochgezogen und geknuddelt.
Dad blickte zwischen uns hin und her. »Mrs Casnoff erwähnte bereits, dass ihr zwei ein prächtiges Team seid. Jetzt verstehe ich auch, wie sie das gemeint hat. Nun denn, sollten die Damen sonst nichts aus der Bibliothek benötigen … Sophie, würdest du vielleicht Gefallen daran finden, mich auf einem Spaziergang über das Grundstück zu begleiten?«
Ich fragte mich, ob es wohl jemals Zeiten gegeben hatte, in denen sich Dad nicht so angehört hatte, als sei er gerade einem Jane-Austen-Roman entsprungen. Komische Vorstellung, dass sich meine superpraktisch veranlagte Mom in einen Typen wie ihn verliebt haben sollte. Ich hätte nie gedacht, dass sie auf Schönredner stünde. Doch ich hätte ja auch nie gedacht, dass ich mich in einen Schönling verlieben würde, der insgeheim ein fieser Prodigienkiller war. Also, was zum Teufel wusste ich denn schon?
»So langsam wird es dunkel«, sagte ich zu Dad.
»Oh, ich schätze, uns bleibt aber noch genügend Tageslicht. Und zu dieser Stunde ist der Blick auf das Haus äußerst spektakulär.«
In den wenigen Wochen seit meiner ersten Begegnung mit Dad hatte ich gelernt, den Ausdruck seiner Augen zu deuten und nicht etwa den Tonfall seiner Stimme. Und in diesem Moment sagten seine Augen klipp und klar, dass ich auf jeden Fall mit ihm spazieren gehen würde – ob ich es nun wollte oder nicht.
»Okay«, antwortete ich. »Warum auch nicht?«
»Hervorragend! Du kommst sicher ein Weilchen allein zurecht, nicht wahr?«, fragte er Jenna.
Sie sah mich kurz an. »Aber sicher, Mr Atherton«, sagte sie. »Ich, äh, schau einfach mal, was Cal so treibt.«
»Ausgezeichnete Idee«, erwiderte Dad und bot mir seinen Arm an. »Wollen wir?«
8
Auf dem Weg nach draußen kamen wir im Flur an einem der Dienstmädchen vorbei. Sie staubte gerade einen Marmortisch ab, doch statt einen Lappen oder Staubwedel zu benutzen, hielt sie einfach ihre Hände über die Oberfläche. Der Staub wirbelte in einer winzigen Wolke empor und löste sich dabei in Luft auf. Dieses Schauspiel in aller Öffentlichkeit verblüffte mich genauso wie schon der Computer und das Handy. In Hecate war keiner so … na ja, so entspannt im Umgang mit Magie. Mrs Casnoff hätte uns garantiert nicht erlaubt, unsere Kräfte zum Staubwischen einzusetzen.
Nachdem Dad und ich das Haus verlassen hatten, nahm ich das Gespräch wieder auf. »Okay«, sagte ich, »es tut mir wirklich leid, dass ich deinen magischen Glaswürfel angefasst habe oder was auch immer das gewesen sein mag. Ich konnte es ja nicht wissen.«
Dad atmete jedoch nur einmal tief ein, und wir spazierten die
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