Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
dementsprechend sterben wir eben nicht, sollten wir jemals schwer verletzt werden. Unsere Kräfte heilen uns.« Er deutete mit dem Kopf auf meine vernarbte Hand. »Es sei denn natürlich, jemand greift uns mit Dämonenglas an. Aber trotz alledem ist ein Dämon, der durch ein Beschwörungsritual verwandelt wurde, in der Essenz immer noch jene Person, die er zuvor schon war.«
»Nur jetzt fließt durch ihre Adern buchstäblich die dunkelste und mächtigste Magie der Welt«, fügte ich hinzu.
»Genau.« Dad lächelte stolz, und plötzlich musste ich an Alice denken, wie sie auf der Lichtung stand und rief: »Du hast es geschafft!« – Und im nächsten Moment hatte ich ihr schon den Kopf abgeschnitten.
Meine Kehle war wie zugeschnürt, als ich sagte: »Wenn Alice also immer noch Alice war, warum hatte sie dann Klauen, und warum hat sie angefangen Blut zu trinken?«
Dad zuckte die Achseln und hob die rechte Hand. Lange, silberne Klauen schossen hervor, wo eben noch seine manikürten Fingernägel zu sehen gewesen waren, nur um dann genauso schnell wieder zu verschwinden. »Alle Hexen und Zauberer könnten das, wenn sie wollten. Versuch es doch mal selbst.«
Ich betrachtete meine abgebrochenen Nägel, auf denen immer noch Reste eines Nagellacks mit dem geschmackvollen Namen Iced Strawberry klebten – Erinnerungen an Jennas letzten Versuch, mir eine Maniküre zu verpassen. »Nein, danke.«
»Was den anderen Teil betrifft … Blutmagie ist eine sehr starke und sehr alte Tradition. Und auch die wurde früher von vielen Hexen und Zauberern angewendet. Deine Freundin Jenna profitiert ganz gewiss davon. Und in der Tat, so wurden Vampire erschaffen. Vor fast tausend Jahren vollzog ein Zirkel von Hexen ein sehr kompliziertes Blutritual, und …«
»Alice hat einfach Leute umgebracht«, warf ich ein. Beim letzten Wort brach meine Stimme weg.
»Ja, das hat sie«, sagte Dad ganz ruhig und gelassen. »Derart viel dunkle Magie kann eine Person in den Wahnsinn treiben. So ist es Alice ergangen. Das bedeutet aber nicht, dass es dir genauso geschehen wird.«
Eindringlich sah er mich an. »Sophie, ich verstehe ja deine zögernde Haltung, mit deinem Vermächtnis übereinzukommen, und dennoch ist es unbedingt erforderlich, dass du aufhörst, Dämonen für Ungeheuer zu halten.« Er legte seine Hand auf meine. »Dass du damit aufhörst, dich selbst für ein Ungeheuer zu halten.«
Ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall, als ich erwiderte: »Hör zu, ich hab ja kapiert, dass du voll auf diese ganze Hoch-leben-die-Dämonen -Sache abfährst, aber ich habe schließlich mit angesehen, wie einer von denen meine Freundin getötet hat. Außerdem hat mir Mrs Casnoff erzählt, dass deine Mom einigermaßen durchge dämont ist und deinen Dad umgebracht hat. Also, komm mir jetzt bloß nicht so, als wäre das Dämonendasein im Grunde nur Friede, Freude, Eierkuchen.«
»Das ist es sicher nicht«, bestätigte Dad. »Aber wenn du bereit bist, mir zuzuhören und mehr darüber zu erfahren, was es bedeutet, ein Dämon zu sein, dann wirst du verstehen, dass die Entmächtigung nicht deine einzige Option ist. Es gibt Mittel und Wege, deine Kräfte … nun ja, gewissermaßen sensibler einzustellen. Wodurch zugleich auch die Gefahr eingedämmt wird, jemanden ernstlich zu verletzen.«
» Eingedämmt ?«, wiederholte ich. »Aber nicht ausgeschlossen, oder?«
Dad schüttelte den Kopf. »Ich bin die ganze Sache vollkommen falsch angegangen«, sagte er frustriert. »Ich möchte doch nur, dass du verstehst … Sophie, hast du dir überhaupt schon mal ernstlich Gedanken darüber gemacht, wie dein Leben aussehen wird, sobald du die Entmächtigung durchlaufen hast? Vorausgesetzt natürlich, du überlebst sie.«
Das hatte ich. Es klingt zwar blöd, aber einer meiner ersten Gedanken war der, dass ich wie die Vandy aussehen würde: voller spiralförmiger, purpurner Tätowierungen, selbst im Gesicht. Es würde zwar nicht leicht werden, eine plausible Erklärung für die menschliche Welt zu finden, aber ich hoffte einfach, dass die Ausrede total abgefahrene Frühlingsferien funktionieren könnte.
Als ich nicht sofort antwortete, sagte Dad: »Ich bin mir nicht sicher, ob du dir darüber im Klaren bist, was bei diesem Ritual de facto geschieht. Es geht nicht nur darum, dass du danach nicht mehr in der Lage sein wirst, Magie zu wirken. Du zerstörst damit auch einen ungeheuer wichtigen Teil deines Selbst. Die Entmächtigung dringt dir ins Blut und reißt etwas
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