Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
nicht ursprünglich sogar angenommen?«, fragte sie Cal.
Einen richtig wütenden Cal hatte ich noch nie zuvor gesehen, doch jetzt kam er der Sache langsam näher. Natürlich bedeutete das bei ihm nichts weiter als ein leichtes Stirnrunzeln. »Das stimmt schon, aber …«, begann er.
»Aber dann haben Sie gehört, dass Sophie nach Hecate kommen würde, und daraufhin beschlossen Sie zu bleiben«, beendete Lara seinen Satz. Ihre Lippen verzogen sich zu diesem triumphierenden Lächeln, das ich auch schon Dutzende Male auf Mrs Casnoffs Gesicht gesehen hatte. Wie erstarrt stand ich da, als sie sich wieder zu mir umdrehte und sagte: »Mr Callahan hat doch tatsächlich auf die Gelegenheit verzichtet, mit dem Rat die ganze Welt zu bereisen, um stattdessen auf Graymalkin Island kaum mehr zu sein als ein Hausmeister. Und zwar Ihretwegen!«
10
Danach bekam ich von Laras Worten nicht mehr viel mit. Ich weiß nur, dass sie irgendeine Versammlung erwähnte und dass sie zu spät dran sei. Dann aber war sie plötzlich verschwunden und ließ mich mit Cal allein.
Cal widmete sich wieder seinem Teller, also ging ich quer durch den Saal zum Buffet. Dort standen Dutzende dampfender Silberplatten mit Rührei, Bratkartoffeln, Speck und jede Menge anderer Speisen, für die ich allerdings keinen Namen parat hatte. Mein Herz raste vor Nervosität, während ich mir meinen Teller füllte. Doch ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
Dann kam mir in den Sinn, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich mich jetzt hinsetzen sollte. An diesem Tisch fanden problemlos über hundert Leute Platz, insofern musste ich mich natürlich nicht direkt neben ihn setzen. Aber es würde auch merkwürdig aussehen, wenn ich mir einen der Stühle ganz am anderen Ende aussuchte. Schließlich entschied ich mich einfach für den gegenüberliegenden Platz. Eine Weile saßen Cal und ich nur schweigend da und konzentrierten uns auf unser Frühstück. Das Geräusch der Gabeln, die über unsere Teller kratzten, hallte durch den riesigen Saal.
Cal rutschte auf seinem Stuhl hin und her, und ich dachte schon, er würde jetzt einfach wortlos verschwinden. Doch dann sagte er leise: »Ich bin nicht nur deinetwegen geblieben.«
Ich hielt den Blick gesenkt. »Klar. Natürlich nicht. So ein Quatsch.«
Unterm Tisch stieß er mit dem Fuß gegen meinen, bis ich endlich den Kopf hob und ihn ansah. Mit eindringlicher Miene beugte er sich vor. »Das ist mein Ernst. Ich mag Graymalkin Island. Ich lebe gern am Meer, und ich arbeite auch gern im Freien. Die Arbeit für den Rat hätte bedeutet …« Er seufzte und verdrehte die Augen. »Büros und Flugzeuge. Und Krawatten. Das war nichts für mich.«
»Cal, alles ist gut«, beharrte ich, obwohl meine Wangen glühten. »Ich bin ganz bestimmt nicht davon ausgegangen, dass du in Hex Hall rumgehangen hättest, weil du mich so abgöttisch liebtest. Allerdings erzähle ich das immer den Mädchen in der Schule«, fügte ich hinzu und stach mit der Gabel ins Rührei. »Ich finde, Herzensbrecherin ist doch eigentlich eine ganz hübsche Ergänzung zu meinem Ruf als Rachehexe .«
Er sah aus, als wollte er noch etwas sagen, also fuhr ich hastig fort, auch wenn dies bedeutete, dass ich mit vollem Mund sprechen musste. »Und, was hältst du nun so von Thorne Abbey?«
Angesichts des raschen Themenwechsels blinzelte Cal ein paar Mal, aber dann sagte er nur: »Dieser Laden ist für mich der reinste Horror.«
»Für mich auch«, sagte ich. »Was aber irgendwie auch komisch ist, wenn man bedenkt, dass Hex Hall im Prinzip doch tausendmal unheimlicher ist.«
Cal zuckte die Achseln. »Ja, schon, aber es ist ein Zuhause.«
»Für dich vielleicht. Hast du die Insel tatsächlich noch nie verlassen, seit du dreizehn warst?«
»Noch nie. Nicht einmal, um aufs Festland zu fahren.«
Ich schüttelte den Kopf, brach ein Stück von meinem Toast ab und beschmierte es dick mit Orangenmarmelade. »Das ist doch irre. Warum denn?«
Er legte seine Gabel beiseite und starrte an mir vorbei. »Ich weiß auch nicht. Aber sobald ich meinen Fuß auf diese Insel gesetzt hatte, wollte ich sie nie mehr verlassen. Wie gesagt, es ist mein Zuhause. Hast du dich denn noch niemals irgendwo zu Hause gefühlt?«
Ich dachte an die vielen verschiedenen Häuser, in denen Mom und ich im Laufe der Jahre schon gewohnt hatten. Einige davon waren ja ganz nett gewesen, aber keines hatte sich je so angefühlt, als sei es von Dauer. Ich war immer so klug gewesen, mich lieber nicht
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